BGH: Hamburger Brauch auch bei zweiter Unterlassungserklärung ausreichend

Wer gegen eine vertragliche Unterlassungsverpfichtung verstößt, gegen den entsteht ein neuer Unterlassungsanspruch. Eine entsprechende neuerliche Unterlassungserklärung muss mit einer höheren Vertragsstrafe bewehrt sein. Umstritten war bisher jedoch die Frage, ob hierzu eine Unterlassungserklärung nach so genanntem Hamburger Brauch ausreichend ist. Der BGH hat diese strittige Frage in einer bemerkenswerten Entscheidung geklärt.

Verstoß gegen kennzeichenrechtliche Unterlassungserklärung

Bei der Klägerin des Verfahrens handelte es sich um eine bekannte Automobilherstellerin und Inhaberin der EU-Wortmarke „AUDI“. Sie war wegen einer Markenrechtsverletzung gegen einen Online-Händer vorgegangen. Dieser hatte eine Unterlassungserklärung nach so genanntem Hamburger Brauch abgegeben. Nachdem die Klägerin durch einen weiteren Testkauf einen Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung feststellte, erfolgte eine zweite Abmahnung. In dieser forderte die Klägerin eine Unterlassungserklärung, die mit einer bezifferte Mindestvertragsstrafe für den Fall eines abermaligen Verstoßes bewehrt war. Die beklagte Online-Händlerin gab jedoch wiender „nur“ eine Unterlassungserklärung nach Hamburger Brauch ab, ohne dass darin eine konkrete Vertragsstrafe festgelegt worden wäre. Die Klägerin verweigerte die Annahme der Unterlassungserklärung und verklagte die Beklagte nicht nur auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 3.000,00 €, sondern auch auf Unterlassung. Der Fall landete zuletzt vor dem BGH.

Vertragsstrafeversprechen nach Hamburger Brauch: Was ist das?

Wer eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt, kann dort entweder eine bezifferte Vertragsstrafe für den Fall der Zuwiderhandlung angeben. Alternativ kann er jedoch auch die konkrete Bezifferung vermeiden, indem er allgemein im Falle eines Verstoßes die Zahlung einer „angemessenen“ Vertragsstrafe verspricht, deren Höhe in das billige Ermessen des Unterlassungsgläubigers gestellt wird und die im Streitfall in die Überprüfung durch das zuständige Gericht gestellt werden kann. Diese unbestimmte Formulierung des Vertragsstrafeversprechens ist unter dem Begriff „Hamburger Brauch“ bekannt.

Streitpunkt: ist bei neuerlicher Unterlassungserklärung eine bezifferte Vertragsstrafe erforderlich?

Verstößt nun jemand, wie im vorliegenden Fall gegen eine solche Unterlassungserklärung, so entsteht ein neuer Unterlassungsanspruch. Es besteht Einigkeit, dass die Vertragsstrafe, die in einer zweiten Unterlassungserklärung für den Fall eines künftigen Verstoßes versprochen wird, höher sein muss als bei der ersten Erklärung. Doch ist es hierfür erforderlich, dass eine zweite Unterlassungserklärung eine bezifferte Mindest-Vertragsstrafe enthält? Oder ist auch bei einer zweiten Unterlassungserklärung die unbezifferte Variante ausreichend? In der Rechtsprechung und Literatur wurde bislang überwiegend die Meinung vertreten, dass eine solche zweite Unterlassungserklärung nur dann die Wiederholungsgefahr entfallen lassen kann, wenn darin eine ausreichend hohe Mindest-Vertragsstrafe konkret festgelegt ist.

BGH: Hamburger Brauch auch bei zweiter Unterlassungserklärung ausreichend

Entgegen der wohl bislang herrschenden Meinung zu dieser Frage stellte der BGH (Versäumnisurteil vom 01.12.2022 Az. I ZR 144/21): in dem vorliegenden Fall klar:

Auch bei der zweiten Unterlassungserklärung entfällt (zunächst) die Widerholungsgefahr, wenn das Vertragsstrafeversprechen im Sinne des Hamburger Brauches formuliert ist. Denn der Gläubiger einer solchen Unterlassungserklärung sei es im Fall eines weiteren Verstoßes auch hier durchaus möglich, die aus seiner Sicht nach einem weiteren Verstoß angemesse erhöhte Vertragsstrafe festzusetzen. So führt der BGH aus:

Ein der Höhe nach un begrenztes Bestimmungsrecht – wie es die von den Beklagten abgegebene Erklärung nach „Hamburger Brauch“ vorsieht – bietet dem Gläubiger den entscheidenden Vorteil, in schwerwiegenden Verletzungsfällen die Vertragsstrafe auch in einer Höhe bestimmen zu können, die erheblich über derjenigen liegen kann, die für die Vereinbarung eines festen Betrags im Hinblick auf die zuvor begangene Verletzungshandlung angemessen gewesen wäre. Eine Vertragsstrafevereinba rung in dieser Form ist deshalb ein besonders geeignetes Mittel zur Verhütung schwerwiegender oder folgenreicher Wiederholungen der Verletzungshandlung, da der Schuldner gerade bei Begehung solcher Verstöße einem angemessen höheren Strafrisiko ausgesetzt ist. (…) Diese Grundsätze gelten auch für eine weitere, nach einer erneuten Verletzung abgegebene Unterlassungserklärung. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die im Wiederholungsfall grundsätzlich erforderliche höhere Strafbewehrung einem Vertragsstrafeversprechen nach „Hamburger Brauch“ bereits innewohnt. Dieses entfaltet mit der Möglichkeit, eine Vertragsstrafe auch in zuvor nicht absehbarer Höhe festzusetzen, im Wiederholungsfall dem Schuldner gegenüber die notwendige Abschreckungswirkung, zumal der Umstand der wiederholten Zuwiderhandlung bei einer gerichtlichen Überprüfung der Angemessenheit der Vertragsstrafe zu berücksichtigen ist. Entgegen der Auffassung der Revision ist deshalb im Wiederholungsfall die Angabe einer Untergrenze nicht erforderlich

Aber: Kein Wegfall der Wiederholungsgefahr bei verweigerter Annahme der Unterlassungserklärung

Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin die Annahme der nach Hamburger Brauch formulierten Unterlassungserklärung jedoch ausdrücklich verweigert. Damit sei hier, so der BGH, die Wiederholungsgefahr nicht entgültig entfallen. Zwar wäre die Wiederholungsgefahr mit Zugang der Unterlassungserklärung zunächst entfallen. Mit der ausdrücklich erklärten Verweigerung der Annahme sei ein Unterlassungsvertrag jedoch gerade nicht zustande gekommen; die Wiederholungsgefahr lebe daher wieder auf. In einem solchen Ergebnis liege auch keine unangemessene Benachteiligung des Unterlassungsschuldners, denn dieser hätte die Möglichkeit, die Kosten einer Unterlassungsklage durch ein sofortiges Anerkenntnis im gerichtlichen Verfahren gemäß. § 93 ZPO auf den Abmahner abzuwälzen.

Das aktuelle Urteil des BGH entstammt zwar dem Markenrecht, dürfte sich aber auch auf andere gewerbliche Schutzrechte (z. B. Designrecht, Wettbewerbsrecht) und auf das Urheberrecht übertragen lassen. Die Entscheidung macht eine grundsätzliche Neubewertung erforderlich, wann eine zweite Unterlassungserklärung annahmefähig ist und wann die Annahme verweigert werden sollte. Andernfalls besteht ein erhöhtes Risiko, bei der klageweisen Durchsetzung neuerlicher Unterlassungsansprüche auf erheblichen Verfahrenskosten sitzenzubleiben.

Rechtsanwalt Otto Freiherr Grote aus Düsseldorf berät seit mehreren Jahren persönlich zahlreiche Mandanten bundesweit in Fragen des Urheberrechts und des gewerblichen Rechtsschutzes. Nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf, entweder per E-Mail unter kontakt@das-gruene-recht.de oder telefonisch (Tel.: 0211-54 20 04 64).