OLG München: Cloud-Dienste wie Dropbox müssen keine Urheberrechtsabgabe zahlen

Endurteil des OLG München vom 02.02.2024 Az. 38 Sch 60/22 WG e (Volltext), nicht rechtskräftig (Stand: 13.02.2024)

Leitsatz: Bei Cloud-Diensten handelt es sich nicht um Vervielfältigungsgeräte oder Speichermedien, die der urheberrechtlichen Vergütungspflicht (Urheberrechtsabgabe gem. § 54 ff UrhG) unterliegen.

Tenor:

1.           Die Klage wird abgewiesen.

2.           Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.           Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

4.           Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen die Beklagte urheberrechtliche Auskunfts- und Vergütungsansprüche für den Zeitraum vom 01.01.2019 bis 31.12.2021 nach den §§ 54 ff. UrhG wegen der Überlassung von Clouds im Wege des Cloud-Computings geltend.

Die Klägerin ist ein Zusammenschluss deutscher Verwertungsgesellschaften, die Ansprüche aus § 54 Abs. 1 UrhG wegen der Vervielfältigung von Audiowerken und audiovisuellen Werken herleiten können, wobei die Klägerin nach § 4 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags die ihr übertragenen Rechte im eigenen Namen wahrnimmt.

Die Verwertungsgesellschaft W. (VG W.) und die Verwertungsgesellschaft B.-K. (VG B.-K.) traten am 15.09./20.09./26.10.2022 ihre Ansprüche aus den §§ 54 ff. UrhG für Vervielfältigungen von stehendem Text und stehendem Bild aus den Zeiträumen 01.01.2008 bis 30.06.2022 an die Klägerin ab (Anlage K 6).

Bei der Beklagten handelt es sich um eine Gesellschaft in Form einer P. U. Company, die ihren Sitz in Irland hat. Auf den Company P. des Companies Registration Office vom 06.12.2022 wird Bezug genommen (Anlage K2). Die Beklagte ist eine irische Tochtergesellschaft von D., Inc.. Sie tritt als Vertragspartnerin für private und geschäftliche Nutzer der D.-Dienste in Deutschland auf.

D. ist ein Cloud-Arbeitsbereich, der sich an Privatpersonen, Unternehmen und Organisationen richtet und der es seinen Nutzern ermöglicht, Dateien zu speichern und freizugeben, an Projekten zusammenzuarbeiten und die für die Arbeit verwendeten Inhalte und Tools miteinander zu verbinden. Zu den Diensten von D. gehören Dateihosting, Kommunikation, Freigabe, Suche, Bildminiaturen, Dokumentenvorschau, optische Zeichenerkennung (OCR), einfache Sortierung und Organisation sowie Personalisierung.

Für die Bereitstellung dieser Dienste verwendet D. eine hybride Cloud-Infrastruktur, die Server und andere Hardware umfasst. D. bietet seinen Nutzern jedoch keinen physischen Zugang zu dieser Infrastruktur. Stattdessen haben die Nutzer lediglich Zugriff auf die D.-Website oder die D.-App, über die sie ihre Inhalte oder andere Funktionen abrufen. Einige Dienste von D. gestatten das Herunterladen von Client-Software.

Die Klägerin forderte den Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche (B.KOM e.V.) zu Verhandlungen auf, die auf den Abschluss eines Gesamtvertrags zur Regelung der urheberrechtlichen Vergütungspflicht von Clouds gerichtet sind. Zum Abschluss eines Gesamtvertrags kam es indes nicht, nachdem der B.KOM e.V. Gesamtvertragsverhandlungen mit Schreiben vom 22.10.2022 (Anlage K4) abgelehnt hatte. 

Die Klägerin hat am 27.09.2022 bei der Schiedsstelle des Deutschen Patent – und Markenamts (DPMA) gemäß §§ 93, 112 ff. VGG einen Antrag auf Durchführung einer empirischen Untersuchung zur Ermittlung der Nutzung von Clouds gestellt (Sch-UrhG 11/22). Zu diesem Antrag hat die Schiedsstelle mit Beschluss vom 24.10.2023 darauf hingewiesen, dass der Antrag als unstatthaft zurückzuweisen sein wird. Eine Endentscheidung der Schiedsstelle liegt bislang nicht vor.

Ein Tarif für die Vergütung von Cloud-Diensten wurde bislang nicht veröffentlicht.

Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 28.09.2022 zur Auskunftserteilung im Hinblick auf die streitgegenständlichen Clouds auf. Mit Schreiben vom 09.11.2022 teilte die Beklagte mit, dass die geltend gemachten Ansprüche schon dem Grunde nach nicht bestünden. (Anlage K1).

Die Klägerin meint, es bestehe ein Feststellungsinteresse wegen drohender Verjährung und wegen fehlender Bezifferbarkeit des Zahlungsanspruchs.

Sie ist der Auffassung, dass die Beklagte zur Auskunft über ihre Clouddienste und zur Vergütung nach den §§ 54 ff UrhG verpflichtet sei. Sie behauptet, dass die streitgegenständlichen Clouds im streitgegenständlichen Zeitraum von den Nutzern der Cloud-Dienste zur Herstellung von Privatkopien urheberrechtlich geschützter Werke genutzt wurden. Die von der Beklagten betriebene Cloud sei aus technischen Gründen und aus funktionaler Nutzersicht als „Speichermedium“ und als „Gerät“ i.S.d. § 54 UrhG zu qualifizieren. Die von der Beklagten zugänglich gemachte Cloud-Infrastruktur, bestehend aus Hard- und Software, sei ein Konglomerat aus Speichermedium, Gerät und Software. Gleichwohl umfasse jede Cloud des streitgegenständlichen Typs neben den Funktionalitäten von „Speichermedien“ auch die eines „Geräts“. Clouds verfügten über die Funktionalitäten eines „Geräts“ im Sinne des § 54 Abs 1 UrhG, weil die verfahrensgegenständlichen Clouds mit Prozessoren, RAM-Betriebssystem und einem Speicherplatz ausgestattet seien und somit Vervielfältigungen initiieren könnten.

Die Klägerin trägt vor, dass die Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum Clouds hergestellt, in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt und an Cloud-Kunden in der Bundesrepublik Deutschland überlassen, also im Geltungsbereich des UrhG Clouds veräußert oder auf sonstige Weise in Verkehr gebracht habe. Die Beklagte habe zumindest die einzelnen Hard- und Software-Komponenten der „Cloud“ kombiniert, implementiert und konfiguriert und so das streitgegenständliche Produkt-/Leistungspaket mit digitalem Online-Speicherplatz produziert und unter ihrer Marke in der Bundesrepublik Deutschland in den Verkehr gebracht. Sie gehe davon aus, dass sich die Hardware der Clouds zumindest teilweise außerhalb der Bundesrepublik Deutschland befinde. Die Beklagte sei somit auch Importeurin der Clouds. Sie hafte als Händlerin, sofern sie die Clouds nicht selbst hergestellt oder importiert habe. Sie bringe die Clouds im Bundesgebiet in Verkehr.

Die Klägerin meint, dass nach dem Schutzkonzept der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft die Nationalstaaten zu gewährleisten hätten, dass auch die Herstellung von Privatkopien in Clouds der Vergütungspflicht unterliegen. Die nationalen Vorschriften seien europarechtskonform auszulegen. Die Vorschriften über die Vergütungspflicht von Herstellern, Importeuren und Händlern von Geräten und von Speichermedien, deren Typ allein oder in Verbindung mit anderen Geräten, Speichermedien oder Zubehör zur Vornahme von Vervielfältigungen urheberrechtlich geschützter Werke benutzt würden, seien auf die von der Beklagten betriebenen Cloud-Dienste analog anzuwenden.

Die Beklagte sei als Herstellerin, Importeurin und Händlerin gem. §§ 54e, 54f UrhG zur Auskunft verpflichtet. Es bestehe zudem ein Auskunftsanspruch aus § 242 BGB. 

Die Klägerin beantragt zuletzt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über die Art (Marke, Produktbezeichnung, Variante/Kategorie) und Stückzahl der im Zeitraum vom 01.01.2019 bis 31.12.2021 an Kunden in der Bundesrepublik Deutschland in Verkehr gebrachten Clouds und hierbei Folgendes anzugeben:

– pro Cloud-Variante/Kategorie die jeweils minimale und die maximal zulässige Anzahl der Cloud-Nutzer sowie die maximale Anzahl der registrierten Nutzer (für mindestens einen Monat);

– pro Cloud-Variante/Kategorie die Dauer der Überlassung in Monaten in Form der Summe aller Monate für alle Kunden der jeweiligen Variante/Kategorie;

– pro Cloud-Variante/Kategorie die maximale Speicherkapazität bzw. der maximal nutzbare Speicher in GB;

– pro Cloud-Variante/Kategorie die Höhe des Preises (netto) für den Cloud-Kunden;

– welche dieser Clouds jeweils nachweislich gewerblichen Endabnehmern zur Verfügung gestellt wurden.

„Gewerbliche Endabnehmer“ im Sinne dieses Antrags sind

– Behörden im Sinne von § 1 Abs. 4 VwVfG und juristische Personen des öffentlichen Rechts,

– juristische Personen des privaten Rechts und rechtsfähige Personengesellschaften im Sinne von § 14 Abs. 2 BGB und

– natürliche Personen, die Unternehmer im Sinne von § 2 Abs. 1 UStG sind, denen durch das Bundeszentralamt für Steuern eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt wurde,

und die Clouds für eigene behörden- bzw. unternehmensbezogene Zwecke erwerben.

Jede Cloud, für die die Beklagte den Nachweis für den Erwerb durch gewerbliche Endabnehmer erbringt, gilt als „Business-Cloud“. Jede Cloud, für die die Beklagte den Nachweis für den Erwerb durch gewerbliche Endabnehmer nicht erbringt, gilt als „Verbraucher-Cloud“.

„Cloud“ im Sinne dieses Antrags ist das von einem Cloud-Anbieter einem Cloud-Kunden auf schuldrechtlicher Basis im Wege des Cloud Computing zur Nutzung überlassene Produkt-/Leistungspaket mit digitalem Online-Speicherplatz.

„Cloud Computing“ im Sinne dieses Antrags ist die von einem Cloud-Anbieter gegenüber eine Cloud-Kunden auf schuldrechtlicher Basis (i.d.R. ein gemischt typischer Vertrag) erbrachte Gesamtheit an Informationstechnologie-Leistungen (Cloud-Dienste), die den Zugriff des Cloud-Nutzers auf den Cloud-Speicher über das Internet ermöglichen (nachfolgend Ziff. (5)) und die darüber hinaus fakultativ die Kriterien der nachfolgenden Ziffern (1) bis (4) und (6) bis (8) erfüllen können.

(1) Der Cloud-Anbieter verfügt über ein (virtuell) teilbares, mandantenfähiges Reservoir konfigurierbarer IT-Ressourcen (zB Betriebssysteme, Netzwerke, Server und sonstige Speichermedien und Geräte, Anwendungen), die er gleichzeitig einer Mehrzahl von Cloud-Kunden zur Nutzung zur Verfügung stellen kann.

(2) Der Cloud-Anbieter überlässt dem Cloud-Kunden – regelmäßig im Rahmen eines „XaaS“-Modells, z.B. als „Software-“ oder „Data Storage as a Service“ (I/P/S/DSaaS) – zumindest digitalen Speicherplatz, den Cloud-/Online-Speicher (zB einen Server oder eine Server-Instanz), der sich physisch nicht beim Cloud-Kunden befindet.

(3) Die IT-Ressourcen können den Cloud-Kunden auf Abruf, zeitnah und oft (nahezu) automatisch überlassen werden. Die Cloud-Computing-Leistungen sind zumindest theoretisch skalierbar, also elastisch an den Bedarf des Cloud-Kunden anpassbar.

(4) Die Bedienung und Nutzung der Cloud erfolgt in der Regel über eine Software/App und/oder eine Web- oder Programmierschnittstelle durch den Cloud-Nutzer (der Cloud-Kunde oder eine natürliche Person, die mit dem Cloud-Kunden assoziiert ist).

(5) Der Cloud-Nutzer kann auf den Cloud-Speicher mit ein oder mehreren technischen Mechanismen (Schnittstellen und Protokolle, zB WebDAV, (S)FTP/FTPS, rsync, SMB/CIFS, SCP, Git) über das Internet zugreifen.

(6)  Die Übertragung der Daten in die Cloud und von der Cloud (Hoch- und Herunterladen) erfolgt durch den Cloud-Nutzer oder automatisch (zB bei automatischer Synchronisation von mit der jeweiligen Cloud verbundenen Geräte/Speichermedien des Cloud-Nutzers) über das Internet, zB über einen Webbrowser, mittels einer App, Desktop-Software, API oder anderen Anwendungen und Schnittstellen.

(7) Der Zugriff des Cloud-Nutzers auf den Cloud-Speicher ist nicht an einen bestimmten Ort oder an ein bestimmtes Gerät/Speichermedium (zB PC, Tablet, Mobiltelefon, NAS) des Nutzers gebunden.

(8) Auf dem Cloud-Speicher können digitale Originale und Vervielfältigungen urheberrechtlich geschützter Werke und Leistungen gemäß § 53 Abs. 1 und 2, §§ 60a bis 60f UrhG gespeichert (hochgeladen) werden, von dem Cloud-Speicher können die genannten Werke und Leistungen auf Geräte und Speichermedien (zB des Cloud-Kunden/-Nutzers) heruntergeladen werden.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, für jede lt. Auskunft nach vorstehender Ziffer 1 an Kunden in der Bundesrepublik Deutschland überlassene Cloud eine angemessene Vergütung i.S.d. § 54 Abs. 1 UrhG an die Klägerin zu zahlen, es sei denn, die Beklagte weist nach, dass die Clouds eindeutig anderen Verwendungen als der Anfertigung von Vervielfältigungen zum eigenen Gebrauch nach § 53 Abs. 1 und 2, §§ 60a bis 60f UrhG vorbehalten waren und sind und dass mit Hilfe dieser Clouds allenfalls in geringem Umfang tatsächlich solche Vervielfältigungen angefertigt worden sind und angefertigt werden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, die Klage sei unzulässig, weil ein Schiedsstellenverfahren nicht durchgeführt wurde. Zwar sei der Auskunftsanspruch, den die Klägerin geltend macht, nicht tarifgestützt. Eine Auskunftserteilung diene aber – bei unterstellter Vergütungspflicht – der Geltendmachung und Durchsetzung eines tarifgestützten Zahlungsanspruchs. Die Klägerin sei gesetzlich verpflichtet, einen Tarif aufzustellen (§ 40 VGG), sofern eine Vergütungspflicht besteht.

Die Beklagte meint, die Klage sei auch deswegen unzulässig, weil der Klageantrag zu 1) nicht hinreichend bestimmt sei. Dieser enthalte die Begriffe „Cloud“ und „Cloud Computing“. Die Begriffe „Cloud“ und „Cloud-Dienstleistungen“ seien unspezifische Begriffe, die unterschiedliche Geschäftsmodelle bezeichnen und unterschiedliche Dienstleistungselemente umfassen könnten. Aufgrund der weiten und konturenlosen Formulierung sei nicht erkennbar, worauf sich der Auskunftsanspruch beziehe. Es sei auch nicht ersichtlich, ob die von der Klägerin aufgeführten Kriterien kumulativ oder alternativ vorliegen müssten. Sofern diese nur alternativ erfüllt sein müssten, sei unklar, welche Kriterien bzw. wie viele von diesen erfüllt sein müssten. Unklar sei, was mit den Begriffen „Gesamtheit an Informationstechnologie-Leistungen“, „Reservoir“, „Server-Instanz“ und „IT-Ressourcen“ gemeint sei. Ebenso unklar sei, was „zeitnah“ im Sinne des Antrags zu 1 bedeute und unter welchen Voraussetzungen Cloud-Computing-Leistungen „zumindest theoretisch“ skalierbar seien“ oder „oft (nahezu) automatisch überlassen“ würden. Zu unbestimmt sei auch der Verweis auf die §§ 53 Abs. 1 und 2, 60a ff, weil wegen dieses Verweises die materiell-rechtliche Prüfung unbestimmter Rechtsbegriffe in das Vollstreckungsverfahren verlagert würde. Mit dem Klageantrag begehre die Klägerin Auskunft über die „Stückzahl“ der von der Beklagten „in Verkehr gebrachten Clouds“, obgleich Clouds keine beweglichen Sachen seien.

Nicht ausreichend bestimmt sei auch der Klageantrag zu 2), der auf Ziffer 1 Bezug nehme. Zudem habe die Klägerin ein Feststellungsinteresse nicht dargetan.

In der Sache macht die Beklagte in rechtlicher Hinsicht geltend, dass die nationalen Vorschriften des deutschen Urheberrechtsgesetzes auf die von der Beklagten angebotenen Cloud-Dienstleistungen nicht anwendbar seien; die streitgegenständlichen Cloud-Dienstleistungen seien keine körperlichen Vervielfältigungsgeräte oder Speichermedien, sondern digitale Dienstleistungen im Sinne von § 327 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Die Erstreckung der Vergütungspflicht auf Cloud-Dienstleistungen verstoße gegen den eindeutigen Wortlaut des Gesetzes. Aus der Gesetzessystematik und aus dem Wortlaut der Vorschriften folge, dass die Vergütungspflicht ausschließlich für körperliche Vervielfältigungsgeräte und Speichermedien, also für Sachen im Sinne von § 90 BGB, bestehe. Die streitgegenständlichen Dienstleistungen seien keine beweglichen Sachen (§ 90 BGB). Eine Anwendung der §§ 54 ff. auf Objekte, die keine beweglichen Sachen sind, sei gesetzeswidrig. Eine die Gesetzesbindung des Richters überschreitende Auslegung sei auch durch den Grundsatz der Unionstreue nicht zu rechtfertigen

Eine Direktwirkung von Richtlinien „contra legem“ dürfe nicht im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung nationaler Gesetze herbeigeführt werden.

Eine Bepreisung von Clouddienstleistungen führe zu einer Überkompensation des Schadens, den die Urheber durch die Erstellung von Privatkopien erleiden. Clouddienstleistungen könnten nur mit Geräten in Anspruch genommen werden, die der Pflicht zur Abgabe einer angemessenen Vergütung bereits unterliegen.

Ergänzend wird auf die von den Prozessbevollmächtigten eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 10.11.2023 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.           Die Klage ist zulässig.

I.            Gemäß § 129 Abs. 1 i.V.m. § 92 Abs. 1 Nr. 2 VGG ist der Senat zur Entscheidung über geltend gemachten Auskunfts- und Zahlungsanspruch nach §§ 54 ff. UrhG berufen.

1.           Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergibt sich aus Art. 7 Nr. 2 EuGVVO. Gem. Art. 7 Nr. 2 EuGVVO i.V.m. Art. 63 Abs. 1 EuGVVO kann eine Gesellschaft bzw. juristische Person, die ihre Hauptverwaltung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, auch in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, wobei die Klage vor dem Gericht des Ortes zu erheben ist, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht. Zu den Ansprüchen, die im Gerichtsstand des Art. 7 Nr. 2 EuGVVO geltend gemacht werden können, gehören auch die streitgegenständlichen Auskunfts- und Vergütungsansprüche (vgl. EuGH, EuZW 2016, 547, LS und Rn. 49 – Austro-Mechana/Amazon EU). Gegenständlich ist der Ausgleich des Rechtsverlustes, den Urheber im Bundesgebiet erleiden.

2.           Die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Senats folgt aus § 129 Abs. 1 i.V.m. § 92 Abs. 1 Nr. 2 VGG.

II.           Die Durchführung eines Schiedsstellenverfahrens ist vorliegend keine Prozessvoraussetzung, weil dieses nur für Streitigkeiten über die Vergütungspflicht für Geräte und Speichermedien nach § 54 UrhG gilt (§ 92 Abs. 2 Nr. 2 VGG) durchzuführen ist, wenn die Anwendbarkeit oder Angemessenheit eines Tarifs bestritten wird (§ 128 Abs. 2 Satz 1 VGG). Das ist vorliegend nicht der Fall, weil die Klägerin bislang noch keinen Tarif aufgestellt hat, dessen Angemessenheit von der Beklagten bestritten werden könnte.

Weder aus der systematischen Stellung der Vorschrift im Gesetz noch aus der Entstehungsgeschichte der Norm lässt sich ableiten, dass ein Schiedsstellenverfahren schon deswegen durchgeführt werden muss, weil die Klägerin zur Aufstellung eines Tarifs verpflichtet ist bzw. weil die Angemessenheit des Tarifs von der Beklagte nach deren Aufstellung umgehend bestritten werden könnte. Vielmehr hat der Gesetzgeber berücksichtigt, dass die Angemessenheit eines Tarifs erst im Verlauf eines Rechtsstreites vor Gericht in Streit gestellt werden könnte. Für diesen Fall sieht § 128 Abs. 2 Satz 2 VGG vor, dass das Gericht den Rechtsstreit zur Durchführung eines Schiedsstellenverfahrens aussetzt. Anders als bei der Vorgängerregelung in § 16 Abs. 2 Satz 1 WahrnG hat sich der Gesetzgeber bewusst dafür entschieden, dass die Schiedsstelle nur dann zum Einsatz kommen soll, wenn es ihrer besonderen tarifbezogenen Erfahrung bedarf (BeckOK UrhR/Freudenberg, 40. Ed. 1.8.2023, VGG § 128 Rn. 12). Das ist aber erst dann der Fall, wenn die Angemessenheit eines bereits aufgestellten Tarifs in Streit steht.

III.          Auskunfts- und Feststellungsantrag sind hinreichend bestimmt.

1.)          Nach § 253 II Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift neben der bestimmten Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs auch einen bestimmten Antrag enthalten. Damit wird der Streitgegenstand abgegrenzt und zugleich eine Voraussetzung für die etwa erforderlich werdende Zwangsvollstreckung geschaffen.

Ein Auskunftsanspruch muss nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO so deutlich gefasst sein, dass bei einer den Klageanträgen stattgebenden Verurteilung die Reichweite des Urteilsausspruchs feststeht. Er muss so bestimmt gefasst sein, dass er auch für das Vollstreckungsgericht hinreichend klar erkennen lässt, worüber die Beklagtenpartei Auskunft zu erteilen hat (vgl. BGH, Urteil vom 15.02.2007 – I ZR 114/04, BGH, GRUR 2007, 871 – Wagenfeld-Leuchte; BGH, Urteil vom 22.11.2007 – I ZR 12/05, GRUR 2008, 357, 358 – Planfreigabesystem). Der Antrag muss den Gegenstand des Auskunftsbegehrens so genau bezeichnen, dass über dessen Inhalt keinerlei Ungewissheit bestehen kann (OLG Düsseldorf Urt. v. 9.3.2017 – I-2 U 42/16, BeckRS 2017, 109831 Rn. 36, beck-online).

2.)          Der Inhalt eines Antrags ist als Prozesserklärung der Auslegung zugänglich, wozu die Ausführungen in der Klagebegründung heranzuziehen sind (Zigann/Werner in Cepl/Voß, Prozesskommentar Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, § 253 Rn. 194 unter Verweis auf BGH, Urteil vom 21.07.2016 – I ZR 26/15, GRUR 2016, 1076 Rn. 14, beck-online). Bei der Auslegung eines Klageantrags ist nicht an dessen buchstäblichem Sinn zu haften, sondern der wirkliche Wille der Partei zu erforschen. Dabei ist der Grundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Urt. v. 17.9.2015 – I ZR 92/14, GRUR 2016, 395 Rn. 40, beck-online).

3.)          Nach den dargestellten Grundsätzen ist der Antrag in Ziffer 1 hinreichend bestimmt.

Die Klagepartei begehrt von der beklagten Partei Auskunft über die Art (Marke, Produktbezeichnung, Variante/Kategorie) und Stückzahl der im Zeitraum vom 01.01.2019 bis 31.12.2021 an Kunden in der Bundesrepublik Deutschland in Verkehr gebrachten Clouds.

a.           Die Begriffe „Cloud“ und „Cloud Computing“ sind in dem Antrag nach Art einer beschreibenden Erläuterung näher bezeichnet. Prägendes Merkmal ist nach der Definition ein virtuell teilbares, mandantenfähiges Reservoir konfigurierbarer IT-Ressourcen, die gleichzeitig einer Mehrzahl von Cloud-Kunden zur Verfügung gestellt werden kann. Nach dem zuletzt gestellten Antrag ist Mindestvoraussetzung die Ermöglichung eines Zugriffs des Cloud-Nutzers auf einen Cloud-Speicher über das Internet (Ziff. (5)). Fakultativ können weitere – in den Ziffern (1) bis (4) und (6) bis (8) der Begriffsdefinition genannte – Kriterien hinzutreten.

b.           Das Begriffspaar „Reservoir konfigurierbarer IT-Ressourcen“ (Ziffer (1)) ist durch einen Klammerzusatz näher beschrieben. Danach handelt es sich bei diesen IT-Ressourcen um Betriebssysteme, Netzwerke, Server, sonstige Speichermedien, Geräte und Anwendungen.

c.            Ferner ist prägendes Merkmal das Vorhandensein eines digitalen Speicherplatzes. Hinzutreten können die Möglichkeit eines automatisierten oder zeitnahen Abrufs mittels einer Software-App oder Programmierschnittstelle. Weiter ist nach der Begriffsdefinition eine Zugriffsmöglichkeit auf den Cloud-Speicher über technische Mechanismen (Schnittstellen und Protokolle) wesentliches Merkmal einer Cloud. Schließlich ist der verwendeten Definition zu entnehmen, dass von dem Auskunftsbegehren nur Informationstechnologie-Leistungen erfasst werden sollen, bei denen der Zugriff nicht an ein bestimmtes Gerät oder Speichermedium und auch nicht an einen bestimmten Ort gebunden ist. Der Zugriff erfolgt nach der Definition durch den Nutzer, automatisch über das Internet, mittels einer App, Desktop-Software oder mittels anderer Anwendungen und Schnittstellen.

d.           Der Begriff „Gesamtheit an Informationstechnologie-Leistungen“, ist hinreichend bestimmt, weil durch die nachfolgend aufgezählten Arten an Software- und Hardwarekomponenten hinreichend klar beschrieben wird, was unter dem Begriff zu verstehen ist. Der in Ziffer (2) in Klammern verwendete Begriff der „Server-Instanz“ ist, was sich aus dem Kontext ergibt, ein digitaler Speicher bzw. ein Online-Speicher, der sich physisch nicht beim Cloudkunden befindet.

e.           Der Beschreibung der zu beauskunftenden Dienstleistungen wird auch nicht dadurch ihre Bestimmtheit genommen, dass die Klagepartei den Begriff „typischerweise“ bzw. „z.B“ und „in der Regel“ verwendet. In der Begriffsdefinition „Cloud-Computing“ unter den Ziffern (1), (2), (6) werden diese Begriffe bzw. Begriffspaare lediglich in einem erläuternden Zusatz verwendet. Gleiches gilt für die Verwendung des Begriffspaars „in der Regel“ in Ziffer (4). Prägendes Merkmal des Cloudcomputings ist nach der Definition „die Bedienung und Nutzung der Cloud“ „durch den „Cloud-Nutzer“, gleichgültig, ob diese über eine Software/App und oder eine Web- oder Programmierschnittstelle erfolgt.

f.             Hinreichend bestimmt ist auch die Begriffsdefinition „Cloud-Computing“ in Ziffer (4), nach der Cloud-Computing voraussetzt, dass den Cloud-Kunden auf Abruf IT-Ressourcen überlassen werden können. Bei den Begriffspaaren „zeitnah“ und „oft (nahezu) automatisch“ handelt es sich lediglich um einen erläuternden Zusatz. Das Begriffspaar „theoretisch skalierbar“ ist durch den Satzteil „an den Bedarf des Cloud-Kunden anpassbar“ erläutert.

g.            Hinreichend bestimmt ist ferner die Verwendung des Begriffs „Stückzahl“, der durch die folgenden Spiegelstriche näher konkretisiert wird. Auch der Verweis auf die §§ 53 Abs. 1, 60a ff UrhG ist nicht zu beanstanden. Durch den Verweis wird der Begriff des Cloudcomputings auf Vervielfältigungen zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch bzw. auf gesetzlich erlaubte Nutzungen für Unterricht, Wissenschaft und Institutionen beschränkt.

Zwischen den Parteien ist im Übrigen unstreitig, dass es sich bei der von der Beklagtenpartei betriebenen Dropbox um einen Cloud-Arbeitsbereich handelt, der sich an Privatpersonen, Unternehmen und Organisationen richtet und der es seinen Nutzern ermöglicht, Dateien zu speichern und freizugeben, an Projekten zusammenzuarbeiten und die für die Arbeit verwendeten Inhalte und Tools miteinander zu verbinden. Zu den Diensten von D. gehören Dateihosting, Kommunikation, Freigabe, Suche, Bildminiaturen, Dokumentenvorschau, optische Zeichenerkennung (OCR), einfache Sortierung und Organisation sowie Personalisierung. Das Auskunftsbegehren bezieht sich genau auf diesen Cloud-Arbeitsbereich, der zudem die Möglichkeit eröffnet, auf einem zugewiesenen Speicherplatz in der Cloud Dateien zu speichern. 

4.)          Der Feststellungsantrag zu 2) ist damit ebenfalls hinreichend bestimmt.

5.)          Der Feststellungsantrag ist – entgegen der Ansicht der Beklagtenpartei – auch im Übrigen zulässig. Für den Feststellungsantrag (Antrag zu Ziff. 2.) besteht gemäß § 256 Abs. 2 ZPO in Bezug auf die geltend gemachten Vergütungsansprüche ein Feststellungsinteresse, nachdem allein durch die Entscheidung in der Auskunftsstufe keine innerprozessuale Bindungswirkung oder materielle Rechtskraft in Bezug auf das zugrunde liegende Rechtsverhältnis erzeugt wird (BGH, Urteil vom 27. 11. 1998 – V ZR 180–97, ZIP 1999, 447 juris Rn. 6). Im Übrigen ist die Vergütungspflicht, die Gegenstand des Feststellungsantrags ist, i.S.v. § 256 Abs. 2 ZPO für die Frage vorgreiflich, ob ein Auskunftsanspruch i.S.d. §§ 54e und 54f UrhG besteht und damit als Zwischenfeststellungsklage zulässig.

B. Der geltend gemachte Auskunfts- und Feststellungsantrag ist unbegründet.

I.            Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Die Aktivlegitimation folgt aus § 49 Abs. 1 und 2 VGG.

Gemäß §§ 54 h Abs. 1 können nur Verwertungsgesellschaften Ansprüche nach §§ 54, 54a, 54b und 54f UrhG geltend machen. Diese müssen zur Wahrnehmung der Ansprüche nach §§ 54 ff UrhG über eine Erlaubnis des Deutschen Patent- und Markenamtes verfügen, § 77 Abs. 1 VGG. Wahrnehmungsberechtigt ist außerdem die ZPÜ als abhängige Verwertungsgesellschaft i.S.v. § 3 Abs. 1 VGG, weil die an der ZPÜ beteiligten Verwertungsgesellschaften über eine Erlaubnis nach § 77 Abs. 1 VGG verfügen und nach § 4 des Gesellschaftsvertrags der ZPÜ die ihnen zur Wahrnehmung übertragenen Vergütungsansprüche für Vervielfältigungen von Audiowerken und von audiovisuellen Werken nach den §§ 53 Abs. 1-2, 54, 54a, 54b, 54e, 54f, 60a bis 60f und 60h Abs. 1 S. 2 UrhG in die Gesellschaft eingebracht und diese an die Gesellschaft abgetreten haben.

Die Aktivlegitimation der Klägerin folgt aus der Vermutungsregel des § 49 Abs. 1, Abs. 2 VGG, weil die Klägerin – wie dargetan – die Rechte der Rechteinhaber nach §§ 54 Abs. 1, 54c UrhG aF wahrnimmt. Unstreitig haben die VG W. und die VG B.-K. mit Abtretungsvereinbarung vom 13.09./14.09./10.10.2016 (Anlage 3) ihre Ansprüche an stehendem Bild und stehendem Text an die Klägerin abgetreten (§ 398 BGB). Die Klägerin macht also Ansprüche aus eigenem und – sofern ihr Ansprüche abgetreten wurden – aus abgetretenem Recht geltend. Weitere Verwertungsgesellschaften sind gegenüber der Beklagten nicht anspruchsberechtigt.

II.           Es ist deutsches Recht anwendbar, das unionsrechtskonform auszulegen ist.

Nach Art 8 Abs. 1 VO (EG) 864/2007, Rom II-VO, gilt das sogenannte „Schutzlandprinzip“, wonach auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus einer Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums das Recht des Staates anzuwenden ist, für den der Schutz beansprucht wird. Dies ist hier deutsches Recht.

Ob eine Auskunfts- und Vergütungspflicht der Beklagten besteht, ist daher an den unionsrechtskonform auszulegenden nationalen Vorschriften des deutschen Urheberrechtsgesetzes zu messen. Zutreffend hat die Klägerin hierzu ausgeführt, dass sich der Auskunfts- und der Feststellungsantrag der Klagepartei auf „in der Bundesrepublik Deutschland in den Verkehr gebrachte Clouds“ beziehen. Es kann daher angenommen werden, dass der zu ersetzende Schaden im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats entstanden ist, in dem diese Endnutzer wohnen (EuGH (Zweite Kammer), Urt. v. 11.07.2013 – C-521/11, EuZW 2013, 741, Rn. 58, EuGH, Urteil Stichting de Thuiskopie, EuZW 2011, 553 Rdnr. 35).

Die Klagepartei stützt ihren auf Vergütung gerichteten Feststellungsanspruch und den Auskunftsanspruch auf §§ 53 ff UrhG. Diese sehen eine Vergütungs- und eine damit korrespondierende Melde-/Auskunftspflicht für Leerspeichermedien und Geräte vor, von denen zu erwarten ist, dass diese zur Vornahme von Vervielfältigungen urheberrechtlich geschützter Werke benutzt werden. Sie sind mit dem Zweiten Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft in Kraft getreten (sog. „Zweiter Korb“). Die Novelle der Vergütungspflicht für Leerspeichermedien erfolgte in Umsetzung der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (InfoSoc-Richtlinie) (Spindler, NJW 2008, 9, beck-online). Die nationalen Normen sind deswegen unionsrechtskonform auszulegen.

Nach Art 2 InfoSoc-RL steht das Vervielfältigungsrecht grundsätzlich dem Urheber, ausübenden Künstlern und Herstellern von Tonträgern und Filmen sowie Sendeunternehmen zu. Dieses Vervielfältigungsrecht kann nach Art. 5 Abs. 2 lit. a und lit. b InfoSoc-RL unter der Bedingung eingeschränkt werden, dass die Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten. Schuldner des angemessenen Ausgleichs ist grundsätzlich der Endnutzer, der die Privatkopie anfertigt (Loewenheim/Stieper Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 54 Rn. 8).

Den Mitgliedsstaaten steht es – wegen der praktischen Schwierigkeiten, die privaten Nutzer zu identifizieren und sie zur Entrichtung der Vergütung zu verpflichten – frei, ein Vergütungssystem vorzusehen, in welchem die Hersteller und Händler von Kopier- und Speichergeräten als Finanzier der Urheber belastet würden, da ein derartiges Regresssystem faktisch die Inanspruchnahme der wahren Schuldner angemessen ermöglicht (EuGH, Urteil vom 21. 10. 2010 – C-467/08, GRUR 2011, 50 (54) – Padawan / SGAE). Die Festlegung, wann von einem vergütungspflichtigen Gerät auszugehen ist, kann ebenfalls nicht ohne Rücksicht auf das Europarecht getroffen werden (BeckOK UrhR/Grübler, 38. Ed. 1.5.2023, UrhG § 54 Rn. 5). Allerdings haben die Mitgliedsstaaten nach der Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs bei der Umsetzung der InfoSoc-RL ein weites Ermessen (EuGH, Urteil vom 16.06.2011, C- 462/09 Stichting de Thuiskopie, EuZW 2011, 553 Rn. 23, beck-online).

III.          In Umsetzung dieser Richtlinie sehen die §§ 54, 54a, 54b UrhG vor, dass Hersteller (§ 54 Abs. 1 UrhG), Importeure und Händler (§ 54b Abs. 1 UrhG) von Geräten und von Speichermedien, deren Typ allein oder in Verbindung mit anderen Geräten, Speichermedien oder Zubehör zur Vornahme solcher Vervielfältigungen benutzt wird, den Urhebern eine angemessene Vergütung zu entrichten haben. Dieser Anspruch wird von den Verwertungsgesellschaften wahrgenommen (§ 54h UrhG). Die Anspruchsvoraussetzungen der Vergütungs-, Melde- und Auskunftsregelungen in den §§ 54 ff UrhG liegen auch bei richtlinienkonformer Auslegung der nationalen Vorschriften indes nicht vor:

1.           Die Klagepartei begehrt Auskunft über Art und Stückzahl der von der Beklagten „in Verkehr gebrachten“ Clouds. „Cloud“ im Sinne ihres Antrags ist das von einem Cloud-Anbieter einem Cloud-Kunden auf schuldrechtlicher Basis im Wege des Cloud Computing zur Nutzung überlassene Produkt-/Leistungspaket mit digitalem Online-Speicherplatz. Unter „Cloud-Computing“ ist nach dem Auskunftsantrag auch die Verschaffung eines internetbasierten Zugangs zu einem digitalen Speicherplatz der Beklagten zu verstehen.

Der Auskunftsanspruch bezieht sich damit ausdrücklich nicht auf Speicherplatz, der den Kunden durch Übergabe eines physischen Datenträgers (vgl. Ziffer 2 der Begriffsdefinition) zur Verfügung gestellt wird, sondern auf digitalen Speicherplatz, der ausschließlich im Wege des „Cloud-Computings“, durch Zugriff über das Internet (vgl. Ziffer 5 der Begriffsdefinition) zur Nutzung überlassen wird. Der von der Klägerin geltend gemachte Feststellungs- und Auskunftsantrag bezieht sich somit auf eine Dienstleistung der Beklagten, die die Nutzung eines Cloud-Speichers über das Internet ermöglicht. Es soll Auskunft erteilt werden über die „minimal und maximal“ zulässige Anzahl der Cloud-Nutzer, über die Dauer der Überlassung der Cloud, die maximale Speicherkapazität pro Cloud-Variante und über die Höhe des Preises.

Dagegen ist der Auskunfts- und Feststellungsantrag nicht darauf gerichtet, Auskunft über die (ggf. im Bundesgebiet) zur Abspeicherung betriebenen Hardwarekomponenten selbst zu erhalten. Zum Standort der von der Beklagten vorgehaltenen Hardware trägt die Klagepartei insoweit im Übrigen vor, sie gehe davon aus, „dass sich die physischen Geräte- und Speichermedien-Komponenten (z.B. Prozessoren, RAM, Server)“ „zumindest teilweise außerhalb der Bundesrepublik Deutschland befinden“.

2.           Der Auskunftsanspruch ist auf den Zugang zu einem Cloudspeicher gerichtet, der den Cloud-Nutzern die Vervielfältigung von Audiowerken und audiovisuellen Werken sowie die Vervielfältigung von stehendem Text und Bild zum privaten Gebrauch ermöglicht.

Werden Vervielfältigungsgeräte von dem nach §§ 54 ff. UrhG In-Anspruch-Genommenen unmittelbar einer natürlichen Person zu privaten Zwecken, d.h. als private Nutzer, überlassen, besteht eine unwiderlegliche Vermutung dahingehend, dass mit Hilfe dieser Geräte tatsächlich Privatkopien angefertigt werden (BGH, U. v. 30.11.2011, I ZR 59/10 – PC als Bild- und Tonaufzeichnungsgerät, Rn. 39 – 41; EuGH, U. v. 21.10.2010, C-467/08 – Padawan, Rn. 54 – 59, v. 11.07.2013, C-521/11 – Amazon.com./Austro-Mechana, Rn. 41 f., v. 05.03.2015, C-463/12 – Copydan, Rn. 24 f.). Ferner besteht eine widerlegbare Vermutung i.S.v. § 292 ZPO für eine vergütungspflichtige Nutzung bei einer unmittelbaren Überlassung an (gewerblich handelnde) natürliche Personen (BGH, U. v. 30.11.2011, I ZR 59/10 – PC als Bild- und Tonaufzeichnungsgerät, Rn. 33 – 35, v. 03.07.2014, I ZR 30/11 – PC III, Rn. 53 f., v. 21.07.2016, I ZR 255/14 – Musik-Handy, Rn. 94, v. 16.03.2017, I ZR 36/15 – Gesamtvertrag PC, Rn. 36 u. I ZR 39/15 – PC mit Festplatte I, Rn. 52 f., 56 ff., v. 18.05.2017, I ZR 266/15 – USB-Stick, Rn. 19 f., v. 14.12.2017, I ZR 53/15, Rn. 3, u. I ZR 54/15, Rn. 32; EuGH, U. v. 11.07.2013, C-521/11 – Amazon.com./Austro-Mechana, Rn. 43 – 45). Aber auch bei einer unmittelbaren Überlassung der Vervielfältigungsgeräte durch den In-Anspruch-Genommenen an eine nichtnatürliche Person besteht die widerlegliche Vermutung i.S.v. § 292 ZPO einer vergütungspflichtigen Nutzung (BGH, U. v. 30.11.2011, I ZR 59/10 – PC als Bild- und Tonaufzeichnungsgerät, Rn. 33 – 35, 42 f., v. 03.07.2014, I ZR 30/11 – PC III, Rn. 53 f., v. 21.07.2016, I ZR 255/14 – Musik-Handy, Rn. 94, v. 16.03.2017, I ZR 36/15 – Gesamtvertrag PC, Rn. 36 u. I ZR 39/15 – PC mit Festplatte I, Rn. 52 f., 56 ff., v. 18.05.2017, I ZR 266/15 – USB-Stick, Rn. 19 f., v. 14.12.2017, I ZR 53/15, Rn. 3, u. I ZR 54/15, Rn. 32, v. 09.09.2021, I ZR 118/20 – Eigennutzung, Rn. 32 f.; in Bezug auf gewerbliche Abnehmer allgemein: EuGH, U. v. 11.07.2013, C-521/11 – Amazon.com./Austro-Mechana, Rn. 15, 28 – 36, v. 05.03.2015, explizit in Bezug auf Zwischenhändler: EuGH, U. v. 05.03.2015, C-463/12 – Copydan, Rn. 16, 42 – 50). Danach obliegt es den In-Anspruch-Genommenen, den Nachweis zu führen, dass mithilfe dieser Geräte keine oder allenfalls in geringem Umfang tatsächlich Vervielfältigungen nach § 53 Abs. 1 und 2 UrhG angefertigt worden sind oder nach dem normalen Gang der Dinge angefertigt werden.

3.           Clouds, zu denen die Klagepartei Auskunft begehrt, unterfallen den Regelungen der §§ 54, 54b, 54e, 54f UrhG gleichwohl nicht, weil die Beklagte im Bundesgebiet keine Geräte oder Speichermedien herstellt und importiert bzw. mit ihnen handelt.

a)           Die streitgegenständliche Cloud als solche ist nach der vorstehenden Begriffsdefinition eine Dienstleistung, die unter anderem die Zugriffsmöglichkeit auf einen von der Beklagten (möglicherweise auch im Ausland) betriebenen Online-Speicherplatz ermöglicht.

b)           Nach §§ 54a, 54b UrhG unterliegen aber nur Geräte und Speichermedien einer Zahlungspflicht.

aa)         Eine Legaldefinition der Begriffe „Gerät“ und „Speichermedium“ existiert nicht. Die Definition ist daher durch Auslegung zu ermitteln.

Unter dem Begriff „Gerät“ ist nach allgemeinem Sprachgebrauch ein körperlicher Gegenstand zu verstehen (vgl. Stieper, ZUM 2019, 1, 5 von Ungern-Sternberg GRUR 2022, 1777, 1786 beck-online). Die amtliche Gesetzesbegründung geht ebenfalls von körperlichen Gegenständen aus.

Unter dem Begriff „Speichermedien“ sind nach der Gesetzesbegründung alle physikalischen Informations- und Datenträger mit Ausnahme von Papier oder ähnlichen Trägern zu verstehen. In der Gesetzesbegründung werden als Beispiele alle elektronischen (z. B. Smartcard, Memory Stick), magnetischen (z. B. Musikkassette, Magnetband, Festplatte, Diskette) und optischen (z. B. Film, DVD, CD-ROM, CD-R, CD-RW, Laserdisk) Speicher genannt (siehe BT-Drs. 16/1828, S. 29). Durch die beispielhafte Aufzählung von körperlichen Speichermedien hat der Gesetzgeber klargestellt, dass es sich bei „physikalischen Informations- und Datenträgern“ nur um körperliche Gegenstände handelt.

Dagegen wird die Überlassung einer internetbasierten Nutzungsmöglichkeit nach dem vom Gesetzgeber vorausgesetzten Verständnis von der gesetzlichen Regelung nicht erfasst, weil der verwendete Begriff des „Trägers“ von Informationen und Daten nach dem allgemeinen Sprachgebrauch einen körperlichen Gegenstand bezeichnet.

bb)         Dass der Gesetzgeber in Dienstleistungen der vorliegenden Art kein Inverkehrbringen von Geräten und Speichermedien sieht, ergibt sich auch aus der Gesetzessystematik, wie § 54c UrhG zeigt. Danach sind bestimmte Großgerätebetreiber wie Copyshops, Universitäten, Bibliotheken usw. zur Zahlung einer zusätzlichen Reprografieabgabe verpflichtet, weil sie mit dem Aufstellen der Geräte die Möglichkeit zur Vervielfältigung durch ihre Nutzer schaffen (Stieper, ZUM 2019,1, 5). Einer derartigen Regelung hätte es nicht bedurft, wenn bereits die kurzzeitige Zurverfügungstellung eines Ablichtungsgeräts ein Handeltreiben oder ein Importieren darstellen würde.

Ferner ist nach den Regelungen der §§ 54 ff UrhG vorgesehen, dass Geräte und Speichermedien hergestellt (§§ 54 Abs. 1, 54a Abs. 4 UrhG), aus- (§ 54 Abs. 2 UrhG), (wieder)eingeführt (§§ 54b, 54e UrhG), veräußert und in den Verkehr gebracht (§§ 54d, 54f UrhG) werden können bzw. dass mit ihnen gehandelt werden kann, §§ 54b, 54f UrhG. Dies setzt voraus, dass an Geräten und Speichermedien Eigentum und Besitz bestehen kann, was gemäß § 90 BGB nur bei körperlichen Gegenständen möglich ist. Diese Voraussetzung ist zwar in Bezug auf die einzelnen Hardwarekomponenten, derer sich der Cloud-Anbieter bedient – dem Server und dessen Bestandteilen – gegeben. Keine Sachen sind dagegen die einzelnen vom Anbieter der Cloud-Computing-Dienstleistungen seinen Kunden zugewiesenen digitalen Speicherplätze. Diese sind nicht körperlich abgetrennt oder abtrennbar und können weder hergestellt noch aus- oder (wieder)eingeführt werden. Ferner kann man mit diesen auch nicht handeln (siehe auch Hinweisbeschluss der Schiedsstelle beim DPM, 24. Oktober 2023 Az: Sch-Urh 11/22).

cc)          Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15.11.2006 (XII ZR 120/04, Rn. 12 ff), wie die Klagepartei meint. Diese Entscheidung betrifft die hier nicht entscheidungserhebliche Frage, ob auf einem Datenträger verkörperte Standardsoftware als bewegliche Sache anzusehen ist, bzw. ob bei der Überlassung Miet- oder Kaufrecht anwendbar ist. Die Cloud ist keine auf einem Datenträger verkörperte Software in diesem Sinne.

Soweit der Kläger – unter Verweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 04.11.1987, XIII ZR 314/86- vorträgt (Schriftsatz vom 18.09.2023, Rnr. 56), selbst Software werde i.d.R. als bewegliche Sache behandelt, kann dem nicht gefolgt werden.

Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lässt sich nicht entnehmen, dass Software eine Sache ist. Vielmehr werden lediglich die für Sachen geltenden schuldrechtlichen Regeln auf Software entsprechend angewendet. Dabei wird die entsprechende Anwendung jeweils aus der Sachqualität des Datenträgers hergeleitet, auf dem die Software verkörpert ist (BGH, Urt. v. 15.11.2006 – XII ZR 120/04, NJW 2007, 2394). Damit ist Software als solche keine Sache. (Taeger/Pohle ComputerR-HdB, 32.13 Vermarktung von Gebrauchtsoftware Rn. 27, 28, beck-online).

Im Übrigen ist die für das Vertragsrecht entwickelte Rechtsprechung nicht auf die Regelungen in den §§ 54 ff UrhG übertragbar. Die urheberrechtlichen Vorschriften der §§ 54 ff UrhG regeln einen gesetzlichen Entschädigungsanspruch, dessen Inhalt und Reichweite vom Gesetzgeber bestimmt wird. Die Ausgestaltung eines Vertrages, der die Überlassung von Software zum Gegenstand hat, wird dagegen von den Vertragspartnern selbst vorgenommen. Die analoge Anwendung kauf- und mietrechtlicher Gewährleistungsvorschriften dient dem Interessenausgleich im Verhältnis der Vertragspartner untereinander.

dd)         Die Auslegung der Bergriffe „Geräte“ und „Speichermedien“ steht mit dem Unionsrecht in Einklang. Der Unionsgerichtshof hat in der Rechtssache C-433/20 (Austro-Mechana/Strato) das Unionsrecht zwar verbindlich dahingehend ausgelegt, dass ein Server, auf dem der Anbieter von Cloud-Computing-Dienstleistungen einem Nutzer Speicherplatz zur Verfügung stellt, ein beliebiger Träger i.S.d. Art. 5 Abs. 2 Buchstabe b) der Richtlinie 2001/29/EG ist (EuGH, Urt. v. 24.3.2022 – C-433/20 – Austro-Mechana Gesellschaft/Strato, GRUR 2022, 558 Rn. 33, beck-online). Zugleich betont der Unionsgerichtshof aber, dass sich die Mitgliedsstaaten zu vergewissern haben, dass die so gezahlte Abgabe, soweit im Rahmen dieses einheitlichen Prozesses mehrere Geräte und Speichermedien von ihr betroffen sind, nicht über den sich für die Rechtsinhaber durch die betreffende Handlung ergebenden etwaigen Schaden hinausgeht (EuGH aaO, Rn. 53). Eine nationale Regelung, nach der die Anbieter von Dienstleistungen der Speicherung im Rahmen des Cloud-Computing keinen gerechten Ausgleich für Sicherungskopien leisten müssen, steht mit dem Unionsrecht deswegen in Einklang, wenn der gerechte Ausgleich bereits auf andere Weise erreicht wird (EuGH, aaO., Rn. 54). Nichts anderes ergibt sich auch aus der von der Klagepartei zitierten Entscheidung des Unionsgerichtshofs in der Rechtssache C-265/16 (Urteil v. 29. November 2017 – VCAST/RTI).

Die Mitgliedsstaaten haben bei der Festlegung der verschiedenen Elemente des gerechten Ausgleichs ein weites Ermessen. Insbesondere bestimmen sie, welche Personen diesen Ausgleich zu zahlen haben, und legen dessen Form, Einzelheiten und Höhe fest (EuGH, Urteil vom 24.03.2022, C-433/20, GRUR 2022, 558 Rn. 41 – Austro-Mechana/Strato m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung).

Der deutsche Gesetzgeber zieht derzeit in Ausübung des ihm durch das Unionsrecht zugebilligten weiten Ermessens nur Hersteller, Importeure und Händler von Geräten und Speichermedien (vgl. § 54 Abs. 1, 54b Abs. 1 UrhG) sowie die Betreiber von Vervielfältigungsgeräten (vgl. 54c UrhG) als Schuldner einer Vergütung heran. Da der Nutzer einer Cloud-Computing-Leistung stets auch ein Endgerät – wie etwa PC, Tablet oder Smartphone – benötigt, um Privatkopien erstellen zu können, ist die Vergütung nach der deutschen Gesetzessystematik unter Anknüpfung an diese Geräte zu entrichten.

Dem steht auch nicht entgegen, dass die Vervielfältigung ggf. auf dem Server des Cloud-Anbieters vorgenommen wird und nicht auf dem Endgerät, mit dem die Vervielfältigung veranlasst wird. Denn das Gesetz knüpft die Vergütungspflicht in § 54 Abs. 1 UrhG lediglich daran, dass das betreffende Gerät als Typ zur Vornahme gesetzlich privilegierter Vervielfältigungen benutzt wird. Demgemäß hat der Bundesgerichtshof auch für Scanner eine Vergütungspflicht angenommen, obwohl auch mit diesen Geräten die der Vorlage entnommene Information nicht gespeichert werden kann (GRUR 2002, 246, 247 – Scanner – zu § 54a UrhG a.F.). Daher überzeugt auch der Einwand der Klagepartei nicht, Vervielfältigungen von einer Cloud in eine andere Cloud oder Vervielfältigungen innerhalb einer Cloud könnten nicht sachgerecht erfasst werden. Denn diese Vervielfältigungen können aus den vorgenannten Gründen ohne Weiteres dem Gerät zugeordnet werden, mit dem sie bewirkt werden.

Soweit die Klagepartei einwendet, in diesen Fällen läge kein funktionales Zusammenwirken mit einem Gerät vor, legt sie einen zu engen Maßstab an. Die Klagepartei hat nicht dargetan, dass eine Vervielfältigung in einer Cloud auch ohne Nutzung eines der Vergütungspflicht unterliegenden Endgeräts (z.B. Smartphone, PC, Tablet) möglich ist. Der Befehl zur Vervielfältigung wird stets mit einem (bereits bepreisten) Gerät erteilt. Das gilt bei wertender Betrachtung für den dem Cloudbetreiber erteilten Auftrag der Synchronisation von Geräten und der Erstellung von Backups. Zum anderen gilt das auch für Filesharing, bei welchem ein Link den Zugriff ermöglicht. In diesem Fall wird der Befehl zur Vervielfältigung vom Empfänger des Links mit einem (bereits bepreisten) Gerät erteilt. Darin liegt eine den Vergütungsanspruch begründende Nutzung des bepreisten Geräts für privilegierte Vervielfältigungen (vgl. auch Hinweisbeschluss der Schiedsstelle beim DPM, 24. Oktober 2023 Az: Sch-Urh 11/22).

c)            Die Beklagte ist als Cloudbetreiberin nicht Herstellerin von Geräten und Speichermedien i.S.v. § 54a UrhG.

Hersteller ist, wer die Geräte tatsächlich produziert hat (BGH, Urteil vom 22.02.1984 – I ZR 200/81 GRUR 1984, 518, beck-online), wobei nur eine Herstellung im Bundesgebiet der Vergütungspflicht unterliegt. Die Klagepartei hat indes nichts dazu vorgetragen, dass die Beklagte im Bundesgebiet Speichermedien hergestellt hat. 

Die Herstellung eines vergütungspflichtigen Speichermediums bzw. Geräts i.S.v. § 54 UrhG ist selbst dann nicht anzunehmen, wenn man in den Herstellungsprozess auch die von der Clouddienstleistung intendierten Handlungen ihrer Nutzer einbezieht, was im patentrechtlichen Kontext z.T. angenommen wird, um eine Umgehung der Schutzrechte zu verhindern (OLG Düsseldorf Urt. v. 23.3.2017 – 2 U 5/17, GRUR-RS 2017, 109826, beck-online). Danach liegt auch dann ein Herstellen vor, wenn Einzelteile einer Gesamtvorrichtung nicht vom Hersteller selbst zusammengesetzt, sondern einem Dritten geliefert werden, der sie vorhersehbar zu der (patentrechtlich) geschützten Gesamtvorrichtung zusammensetzt (BGH, Urteil vom 14.05.2019, GRUR 2019, 1171 Rn. 48, beck-online).

Vorliegend ist mit der Bereitstellung der Soft- und Hardware der Dropbox – was unstreitig ist – für den Nutzer noch nicht die Möglichkeit verbunden, Privatkopien urheberrechtlich geschützter Werke herzustellen. Dies setzt vielmehr voraus, dass der Cloud-Nutzer mit einem Endgerät (z.B. Tablet, Handy, PC oder Smartwatch) eine temporäre – nach der Definition internetbasierte – Verbindung zu der Cloud herstellt, mit deren Hilfe erst Privatkopien auf dem Cloud-Speicher erstellt werden können. Die – vom Patentsenat des Bundesgerichtshofs entwickelte – Rechtsprechung zur Berücksichtigung intendierter Handlungen von Nutzern ist auf die Vergütungspflichten nach § 53 ff UrhG nicht anwendbar.

Zum einen gewährt die Beklagte ihren Nutzern – unstreitig – keinen physischen Zugang zu ihrer Infrastruktur, sondern lediglich den internetbasierten Zugriff auf die D.-Website oder die D.-App, über die sie ihre Inhalte oder andere Funktionen abrufen können. Mit der Herstellung einer Internetverbindung zur Web-Site der Beklagten wird damit noch kein „neues“ (physisches) Speichermedium oder Gerät im Bundesgebiet hergestellt. Vielmehr entsteht eine Gerätekette aus dem im Bundesgebiet befindlichen Endgerät und dem in der Cloud vorgehaltenen Speicherplatz. Dieser befindet sich nach dem Vortrag der Klagepartei jedenfalls teilweise im Ausland.

Zum anderen führt eine Ausweitung des Begriffs „Herstellen“ i.S.d der Rechtsprechung in Patentsachen dazu, dass nicht das Speichermedium oder Gerät pauschal und einmalig bepreist wird. Vielmehr führte die Ausweitung des Begriffs zu dem systemwidrigen Ergebnis, dass jede Herstellung einer Verbindung die Vergütungspflicht neu auslösen würde, weil bei Herstellung der Verbindung jedes Mal erneut ein Gerät oder Speichermedium hergestellt würde.

Diese – am Nutzungsverhalten orientierte – Sichtweise ist mit dem pauschalen Charakter der Gerätebepreisung nicht in Einklang zu bringen. Der Gesetzgeber hat sich nämlich wegen der praktischen Schwierigkeiten bei der Identifizierung von urheberrechtlich relevanten Nutzungshandlungen bewusst für eine pauschale nutzungsunabhängige Geräteabgabe entschieden (BT-Drs. 16/1828, Seite 29). Die Ausweitung des Begriffs „Herstellen“ auf einzelne Nutzungshandlungen würde diesem gesetzgeberischen Ziel zuwiderlaufen. Zudem wäre eine erweiterte Auslegung des Begriffs „Herstellen“ auf einzelne Nutzungshandlungen eines Kunden der D. nicht mit den umfassenden Auskunftspflichten nach § 54f UrhG vereinbar, weil in diesem Fall über jede einzelne Nutzung Auskunft zu erteilen wäre.

d)           Die Beklagte ist als Cloudbetreiberin nicht Importeurin von Geräten oder Speichermedien. Importeur ist nach § 54b Abs. 2 UrhG, wer die Geräte oder Speichermedien in den Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland verbringt. Die Klagepartei hat einen Import von Geräten oder physischen Speichermedien nicht dargetan.

Die Einfuhr setzt ein Verbringen der Geräte und Speichermedien in den Geltungsbereich des Urheberrechtsgesetzes voraus. Die Auskunftspflichten zu Importen erstreckt sich daher nach § 54e UrhG auf Art und Stückzahl. § 54b Abs. 2 UrhG wurde – wortgleich – mit dem Gesetz zur Änderung des Patentgebührengesetzes und anderer Gesetze am 24.07.1995 (vgl. Loewenheim/Stieper in Schricker, Urheberrecht § 54 Rn. 2) in § 54 Abs. 2 UrhG aF erstmals geregelt. Der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, dass die Regelungen „zur Erfassung der Importe“ als „Ersatzinstrumente für den binnenmarktbedingten Wegfall der Einfuhrkontrollmitteilungen“ eingeführt wurden (Bt.Drs. 218/94, Seite 1). Die Gesetzeshistorie legt damit schon nahe, dass unter Einfuhr nur ein rein physischer Vorgang zu verstehen ist, zumal bei Abfassung des Gesetzes Internetdienstleistungen der gegenständlichen Art nicht bekannt waren.

Aus der Legaldefinition in § 54b Abs. 2 UrhG folgt, dass die Einfuhr nur auf physische Vorgänge beschränkt ist. Die dort verwendeten Begriffe („verbringen“, Freilager, Freizone, Zoll, Spediteur Frachtführer) setzen einen physischen Vorgang voraus.

Diese auf einen physischen Vorgang beschränkte Auslegung ergibt sich auch aus dem Wortlaut in § 54e UrhG, nach dem über die „Stückzahl“ der eingeführten „Gegenstände“ Mitteilung zu machen ist. Die angebotene Nutzungsmöglichkeit ist aber kein „Gegenstand“, der in Stückzahlen zu bemessen ist. Die angebotenen Dienstleistungen unterfallen deswegen auch nicht der Meldepflicht nach § 54e UrhG. § 54e UrhG knüpft nämlich die Meldepflicht an die Einfuhr von Geräten und Speichermedien an. (vgl. auch Hinweisbeschluss der Schiedsstelle beim DPM,24. Oktober 2023 Az: Sch-Urh 11/22, Ziffer 2 c)).

e)           Die Beklagte ist nicht Händler. Händler ist, wer gewerblich die Geräte oder Speichermedien erwirbt und weiterveräußert, also Kaufverträge über diese Produkte abschließt (Loewenheim/Stieper in Schricker, Urheberrecht, 6 Aufl. 2020, § 54b Rn. 7;  BGH, Urt. v. 10.11.2022, I ZR 10/22 -Rakuten-, GRUR 2023, 479, Rn. 14, beck-online).

Die zwischen der Beklagten und privaten Nutzern abgeschlossenen Cloud-Verträge beinhalten keine Veräußerung im Sinne eines (Weiter-) Verkaufs. Den Nutzern werden lediglich bestimmte Softwareelemente und begrenzter Speicherplatz für einen begrenzten Zeitraum, gegen Entgelt, zur Verfügung gestellt. Der zwischen der Beklagten und den Nutzern geschlossene Vertrag hat keinen kaufrechtlichen Charakter. Die Nutzer erhalten lediglich eine temporäre Speichermöglichkeit, nicht aber Eigentumsrechte.

4.           Eine Auskunftspflicht nach § 54f UrhG besteht zudem nicht, weil keine Speichermedien oder Geräte in Verkehr gebracht oder veräußert werden.

Im Anschluss an die Rechtsprechung zu § 17 UrhG ist ein Inverkehrbringen jede Handlung, die die Speichermedien und Geräte aus der internen Betriebssphäre der allgemeinen Öffentlichkeit des Handelsverkehrs zuführt (so OLG Hamburg GRUR 1972, 375, 376 – Polydor II; LG Köln ZUM 2001, 714, 715 Einbinden fremder Webseiten in HTML-Datei). Auch die vorübergehende Besitzüberlassung stellt eine Verbreitung dar; zB Miete, Leihe (BGH GRUR 1986, 736 –Schallplattenvermietung; BGH GRUR 2009, 942 Rn. 28 – Motezuma und Dreier/Schulze/Schulze, 7. Aufl. 2022, UrhG § 17 Rn. 15). Die bloße Möglichkeit einen Speicherplatz zu nutzen, stellt demgegenüber noch keine Besitzüberlassung des Cloudspeichers dar, dessen Lokalisierung dem Nutzer in der Regel nicht bekannt ist. Vielmehr behält allein die Beklagte die Kontrolle über sämtliche Komponenten der Cloud. Dem Nutzer wird unstreitig kein physischer Zugang zur Infrastruktur der Cloud ermöglicht.

5.           Ein zum Auskunftsanspruch führender Vergütungsanspruch lässt sich nicht unmittelbar aus dem Unionsrecht ableiten. Das Unionsrecht bildet nur den Rahmen, innerhalb dessen nationale Vorschriften im Einzelnen auszugestalten und in dessen Lichte sie auszulegen sind.

a)           Wie ausgeführt hat der Unionsgerichtshof in der Rechtssache C-433/20 (Austro-Mechana/Strato) festgestellt, dass ein Server, auf dem der Anbieter von Cloud-Computing-Dienstleistungen einem Nutzer Speicherplatz zur Verfügung stellt, ein beliebiger Träger i.S.d. Art. 5 Abs. 2 Buchstabe b) der Richtlinie 2001/29/EG ist. Wenn mittels Cloud-Computing-Dienstleistungen Privatkopien angefertigt werden können, müssen die Mitgliedsstaaten deswegen zwar einen gerechten Ausgleich der Rechtsinhaber vorsehen. Sie müssen hierzu aber nicht zwingend dem Cloud-Anbieter eine Vergütung auferlegen, sondern haben bei der Festlegung der verschiedenen Elemente des gerechten Ausgleichs ein weites Ermessen. Insbesondere bestimmen sie, welche Personen diesen Ausgleich zu zahlen haben, und legen dessen Form, Einzelheiten und Höhe fest (EuGH GRUR 2022, 558 Rn. 41 – Austro-Mechana/Strato m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung). Aus diesem Grund lässt sich auch aus der englischen und französischen Textversion der Richtlinie nicht der Schluss ziehen, dass der nationale Gesetzgeber Cloudbetreiber zwingend zur Entrichtung einer Abgabe verpflichten muss, wenn diese anderen Nutzern eine Speichermöglichkeit „zugänglich machen“.

b)           Die Ergebnispflicht wird entgegen den Ausführungen der Klagepartei (Replik S. 38) nicht verletzt. Dass die gegenständlichen Clouds als nicht vergütungspflichtig und die Cloud-Anbieter nicht als passivlegitimiert angesehen werden, führt nicht zu einer verfassungsrechtswidrigen „absoluten Schutzlücke“ und somit nicht zu einem gravierenden Verstoß gegen die unionsrechtliche „Ergebnispflicht“.

aa)         Der gerechte Ausgleich, der dazu bestimmt ist, den Urhebern den ihnen entstandenen Schaden insbesondere dann zu ersetzen, wenn er im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats entstanden ist (vgl. EuGH GRUR 2011, 909 Rn. 34 – Stichting de Thuiskopie; EuGH GRUR 2022, 1522 Rn. 69 = WRP 2022, 1496 – Ametic, mwN), ist über die Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes gewährleistet. Es ist unionsrechtlich nicht geboten, Erbringer von Dienstleistungen in den Kreis der Schuldner aufzunehmen. Durch die Haftung der Hersteller, Importeure und Händler von Geräten, die für die Nutzung von Clouddienstleistungen zwingend erforderlich sind, ist sichergestellt, dass der unionsrechtlich vorbestimmten Ergebnispflicht zur Erhebung des gerechten Ausgleichs genügt wird (BGH, Urt. v. 10.11.2022 – I ZR 10/22, GRUR 2023, 479 Rn. 23-25, beck-online).

bb)         Anders als die Klagepartei meint, ist bei der Anfertigung von Kopien urheberrechtlich geschützter Werke in der Cloud das verwendete Endgerät (PC, Handy, Tablet) nicht bloß Zubehör. Zubehör sind Gegenstände, die nach der Verkehrsanschauung als Zubehör angesehen werden, § 97 Abs. 1 Satz 2 BGB. Hierunter fallen beispielsweise Druckerpatronen (vgl. Seiler in MMR 2004, XXVII).

Nach der Verkehrsanschauung sind Handys, Tablets, PCs und Smart-Watches nicht bloß Zubehör. Die Erstellung von Kopien in der Cloud setzt zum einen den internetbasierten Zugriff eines Endgeräts auf die Cloud voraus. Der Anstoß zur Anfertigung der Kopie erfolgt stets über ein Endgerät. Das Endgerät ist damit nicht bloßes Hilfsmittel, sondern zentraler Bestandteil des Kopiervorgangs selbst. Erst dadurch, dass der Nutzer mit Hilfe eines Endgeräts die Erstellung der Kopie veranlasst, erhält die Vervielfältigung die von § 53 UrhG vorausgesetzte Zweckrichtung als „Kopie zum privaten Gebrauch“. Auch der spätere Werkgenuss erfolgt wieder über ein Endgerät.

Soweit die Klagepartei meint, dass Kopien auf Servern im Ausland bzw. Kopien auf Servern der Beklagten im Inland bislang nicht bepreist werden, verfängt dies nicht. Eine Vergütungspflicht für die von der Beklagten betriebenen Servern ist vorliegend nicht streitgegenständlich.

cc)          Nicht entscheidungserheblich ist in diesem Zusammenhang, dass der B.KOM e.V. nicht zur Anhebung der Vergütungssätze für Geräte und Speichermedien wegen der Cloudnutzung bereit ist. Die Höhe der Vergütungssätze für Speichermedien und Geräte muss angemessen sein. Die Überprüfung der Angemessenheit erfolgt im Streitfall durch die Gerichte. Den Gesamtverträgen kommt lediglich Indizwirkung zu. Nachdem der gerechte Ausgleich von den Endkunden zu tragen ist, werden Hersteller, Importeure und Händler nicht dadurch benachteiligt, dass der gerechte Ausgleich über eine Geräteabgabe hergestellt wird. Es ist Sache der Vergütungsschuldner, die Geräteabgabe in den Kaufpreis einzukalkulieren.

dd)         Dass die Gesamtvertragsparteien in den Gesamtverträgen eine Vergütung für Server nicht vereinbart haben, ist ebenfalls nicht entscheidungserheblich. Ob ein Vergütungsanspruch besteht, richtet sich ausschließlich nach den §§ 54 ff. UrhG.

c)            Entgegen der Auffassung der Klagepartei gebietet somit auch die Verpflichtung zur Gewährung eines gerechten Ausgleichs aus Art. 5 Abs. 2 Buchstabe b) der Richtlinie 2001/29/EG und die daraus resultierende Ergebnispflicht nicht zwingend eine Auslegung dahin, dass es sich bei Clouds um Geräte oder Speichermedien handelt, die nach §§ 54 ff. UrhG gesondert zu vergüten sind.

Im Übrigen weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass die Verpflichtung des nationalen Gerichts, bei der Auslegung der einschlägigen Bestimmungen seines nationalen Rechts auf den Inhalt der Richtlinie abzustellen, ihre Grenzen findet, wenn eine solche Auslegung dazu führt, dass einem einzelnen eine in einer nicht umgesetzten Richtlinie vorgesehene Verpflichtung entgegengehalten wird (EuGH, Urt. vom 26.09.1996, LMRR 1996, 59, beck-online). Eine die Gesetzesbindung des Richters überschreitende Auslegung ist auch durch den Grundsatz der Unionstreue nicht zu rechtfertigen (BVerfG ZIP 2013, 924 Rn. 32; NJW 2012, 669 Rn. 46 f.). Ebenso ist eine unmittelbare Wirkung der Richtlinie ausgeschlossen, wenn – wie hier – eine staatliche Verpflichtung aktiviert wird, die unmittelbar im Zusammenhang mit der Verpflichtung eines privaten Dritten steht (Calliess/Ruffert/Ruffert, 6. Aufl. 2022, AEUV Art. 288 Rn. 64).

Aus dem Unionsrecht lässt sich im Übrigen eine Pflicht zur Erhebung einer Vergütung bei Cloudbetreibern nicht ableiten, wie der Unionsgerichtshof zuletzt entschieden hat. Wie ausgeführt haben die Mitgliedsstaaten einen weiten Ermessensspielraum bei der Umsetzung der Richtlinie. Durch die umfassende Vergütungspflicht von Geräten und Speichermedien, die für die Nutzung des Cloudspeichers notwendige Voraussetzung sind, hat der Gesetzgeber dies Spielraum unionrechtskonform ausgeschöpft. (EuGH, Urteil vom 24.03.2022, C-433/20, GRUR 2022, 558 Rn. 54, beck-online)

6.           Ein Auskunftsanspruch lässt sich auch nicht auf § 242 BGB stützen. Die Auskunftspflichten sind in den §§ 54e, 54f UrhG abschließend geregelt. Der Gesetzgeber hat in diesen Vorschriften Auskunfts-/Meldepflichten an Voraussetzungen geknüpft. Daneben ist kein Raum für weitere Auskunftspflichten, da ansonsten die vom Gesetzgeber aufgestellten Tatbestandsvoraussetzungen über den Auskunftsanspruch nach § 242 BGB durch Billigkeitserwägungen ersetzt würden.

Im Übrigen setzt ein aus Treu und Glauben abgeleiteter Auskunftsanspruch voraus, dass Anspruchssteller und Anspruchsgegner in einem Schuldverhältnis stehen. Wie ausgeführt, schuldet die Beklagte der Klägerin keine Vergütung für die Clouddienstleistungen.

7.           Eine analoge Anwendung der nationalen Vorschriften kommt mangels planwidriger Regelungslücke nicht in Betracht.

a)           Voraussetzung für die analoge Anwendung einer Rechtsvorschrift ist – neben einer Vergleichbarkeit der zu beurteilenden Sachverhalte – das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke. Eine planwidrige Regelungslücke liegt indes nicht vor.

b)           An dieser Konzeption, lediglich die Hersteller, Importeure und Händler zur Entrichtung der Gerätevergütung zu verpflichten, hat der Gesetzgeber festgehalten, als er die Vergütungspflicht der Händler mit dem Zweiten Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 26.10.2007 (BGBl. 2007 I 2513) in die Vorschrift des § 54b I UrhG verlagerte (vgl. Begr. des RegE BT-Drs. 16/1828, 31). Auch durch das Gesetz zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft vom 1.9.2017 (BGBl. 2017 I 3346) wurden insoweit keine Änderungen vorgenommen (vgl. RegE BR-Drs. 312/17, 31 f.). Schon bei der Änderung im Jahr 2007, erst recht aber im Jahr 2017 war die Speichermöglichkeit in einer Cloud dem Gesetzgeber bekannt (siehe Plenarprotokoll 16/234, Seite 23621, Plenarprotokoll 18/244, Seite 25135) ohne dass er Anlass sah, die Haftung für Gerätevergütung auszudehnen (BGH, Urteil vom 10.11.2022, I ZR 10/22, GRUR 2023, 479 Rn. 21, beck-online).

Zudem hat sich die Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft (Projektgruppe Urheberrecht)“ des Deutschen Bundestages bereits im Jahr 2011 mehrmals zum Thema Cloud-Computing geäußert (Vgl. Klett, ZUM 2014, 18, 21, Dritter Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“, Bt-Drs. 17/7889). Trotzdem wurde keine Regelung zur urheberrechtlichen Bepreisung von Clouds aufgenommen. Somit liegt eine bewusste Nichtregelung der Thematik durch den deutschen Gesetzgeber vor. Im Falle der bewussten Nichtregelung einer Thematik gilt eine widerlegbare Vermutung für die Planmäßigkeit der Lücke. Diese Vermutung kann nur widerlegt werden, wenn die historische Auslegung ergibt, dass der betreffende Sachverhalt einem späteren Gesetzesvorhaben vorbehalten ist, oder, wenn erkennbar ist, dass der Gesetzgeber zur Regelung der Thematik noch auf weitere rechtswissenschaftliche oder judikatorische Erkenntnisse wartete (vgl. Maus, ZfPW 2023, 25, 34 ).

IV.          Aus denselben Gründen hat die Klagepartei keinen Anspruch auf Feststellung der Vergütungspflicht.

C. Nebenentscheidungen:

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO. D. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§§ 129 Abs. 3 VGG, 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO), sondern lediglich die Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen auf den vorliegenden Einzelfall erfordert, und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO nicht vorliegen. Der Senat hat seiner Entscheidung die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Rechtsgrundsätze zugrunde gelegt und ist von diesen nicht abgewichen.