Urteil zum Fair Use in den USA: Zu Tausenden auf Aufforderung der Musikindustrie Youtube-Familienvideos gelöscht, nur weil darin im Hintergrund, teilweise kaum zu erkennen, urheberrechtlich geschützte Musik läuft. In den USA wehrte sich eine Youtube-Nutzerin vor Gericht aufgrund des dort geltenden Fair-Use Grundsatzes vorerst erfolgreich gegen eine solche Löschung. Was bedeutet das Urteil für Deutschland?
Urheberrechtlich geschützter Song im Hintergrund eines Baby-Videos
Im Jahr 2007 hatte eine Frau ein etwa halbminütiges Video auf Youtube veröffentlicht, in dem ihr Kleinkind, am Laufwagen stehend, zu einer im Hintergrund laufenden Musik tanzt. Das Video ist verwackelt, die Hintergrundmusik verzerrt und kaum zu erkennen. Der Titel des Videos „Lets go Crazy“ gibt einen Hinweis darauf, dass es sich um das gleichnamige Lied des Künstlers Prince handelt; die Rechte an diesem Lied liegen bei der Firma Universal. Der Rechteinhaber erwirkte gegenüber Youtube, dass das Video aufgrund eines Verstoßes gegen das Urheberrecht geöscht wurde. Dabei berief er sich auf den Digital Millenium Copyright Act. Dieses US-amerikanische Gesetz soll Rechteinhaber vor unbefugter Nutzung ihrer Werke schützen. Während wohl die wenigsten privaten Youtube-Nutzer gegen eine solche Löschung auf die Barrikaden gegangen wären, wehrte sich die empörte Mutter gegen die Löschung des privaten Familienvideos. Dabei wurde sie von der Electronic Frontier Foundation (EFF) unterstützt.
Was versteht man unter dem amerikanischen „Fair Use Grundsatz“?
Nach etwa neun Jahren des Rechtsstreits hat nun ein Bundesberufungsgericht in dem Fall gegen die Musikindustrie entschieden. In dem Urteil stellte das Gericht fest, dass bisher nicht hinreichend geprüft worden sei, ob die Videoveröffentlichung aufgrund des Fair-Use-Grundsatzes zulässig gewesen sein könnte. Das Fair Use Prinzip ist eine u. a. in den USA gebräuchliche Rechtsdoktrin im Bereich des geistigen Eigentums, die unter gewissen Umständen die Nutzung geschützter Inhalte auch ohne die Zustimmung des Rechteinhabers erlaubt. Insofern ist sie vergleichbar mit Schrankenbestimmungen, wie sie auch das deutsche und das europäische Urheberrecht kennen. Ob eine Wiedergabe nach den Grundsätzen des Fair Use Grundsatzes zulässig ist, entscheidet sich unter anderem danach, ob die Verwendung gewerbsmäßig ist, nach dem Umfang und der Bedeutung des ggf. verwendeten Auszugs oder nach den möglichen Auswirkungen der Verwendung für die Verwertung des Werks für den Rechteinhaber.
Präzedenzfall zur Fair Use Doktrin
Das Urteil des amerikanischen Bundesberufungsgerichts weckt als Präzedenzfall in Amerika Hoffnungen, dass Youtube-Videos nicht mehr bloß aufgrund computergestützter, automatisierter Löschungsaufforderungen der Musikindustrie gelöscht werden können. Vielmehr, so die Hoffnungen, müsste künftig in jedem Einzelfall entschieden werden, ob es sich jeweils um eine nach den Grundsätzen des Fair Use zulässige Veröffentlichung handelt oder nicht.
Was bedeutet das Urteil für das deutsche Recht?
Unmittelbar rechtlich bindende Auswirkungen für die Abrufbarkeit entsprechender Videos in Deutschland dürfte das amerikanische Urteil nicht haben. Zwar existieren auch hier zahlreiche Schrankenregelungen im Bereich des Urheberrechts (z. B. die Privatkopie oder das Zitatrecht). Eine dem Fair Use Prinzip entsprechende Regelung gibt es hierzulande jedoch bislang nicht. Zu beachten ist aber, dass hierzulande immer wieder der Ruf nach einer dem Fair Use Prinzip entsprechenden Schrankenregelung laut werden.
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