Digitaler Nachlass – Darf Facebook den Eltern eines verstorbenen Mädchens den Zugriff auf deren Facebook-Konto verwehren? Im Grundstzstreit um den „digitalen Nachlass“ hat Facebook vor dem BGH eine Niederlage erlitten.
Digitaler Nachlass – Was passiert mit Nutzerkonten nach dem Tod des Inhabers?
Was passiert mit Nutzeraccounts verstorbener Personen und den dort gespeicherten Daten? Darf der jeweilige Plattformbetreiber den Angehörigen einer verstorbenen Person den Zugriff darauf verwehren? Der so genannte „digitale Nachlass“ war ein bis jetzt rechtlich weitgehend ungeregelter Bereich. Die Plattform Facebook versetzt oftmals die Nutzerprofile zwischenzeitlich verstorbener Mitglieder in eine Art „Gedenkstatus“, in dem Angehörige keinen Zugriff etwa auf die persönlichen Nachrichten der verstorbenen Personen haben.
Mutter verstorbenen Mädchens forderte Zugriff auf Facebook-Konto
Im vorliegenden Fall war ein minderjähriges Mädchen infolge eines U-Bahn-Unfalls verstorben. Unklar war für die Hinterbliebenen, ob es sich um einen Unfall oder möglicherweise um ein absichtsvolles Verhalten der Tochter gehandelt hatte. Die Mutter erhoffte sich Hinweise zu dieser Frage aus den im Facebook-Konto der verstorbenen Tochter hinterlegten Daten (wie z. B. aus dort gespeicherten privaten Nachrichten). Doch sie konnte auf den Account der verstorbenen Tochter nicht zugreifen, da dieser von Facebook bereits in einen „Gedenk-Zustand“ versetzt worden war. Daher verklagte sie Facebook auf die Gewährung entprechenden Zugangs. Während sie noch vor dem LG Berlin erfolgreich war, entschied das Kammergericht in der Berufungsinstanz zu ihren Lasten und verwehrte ihr dem Zugriff, nicht zuletzt unter Verweis auf das Fernmeldegeheimnis.
BGH: Facebook muss Erben Zugang gewähren
Der BGH (Urteil vom 12.07.2018, Az. III ZR 183/17) hob nun die Entscheidung des Kammergerichts auf und gab damit der klagenden Mutter recht. So sei das Vertragsverhältnis zwischen Facebook und der verstorbenen Tochter im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge auf die Eltern als gesetzliche Erben übergegangen. Soweit sich anderslautende Regelungen aus den Facebook-Klauseln zum „Gedenkzustand“ ergäben, so verstießen diese Klauseln gegen die gesetzlichen Regelungen zu allgemeinen Geschäftsbedingungen. Auch Verstöße gegen Datenschutzrecht seien nicht ersichtlich. Zum einen schütze die DSGVO nur die informationelle Selbstbestimmung lebender Personen. Auch sei die Verarbeitung der Daten anderer Personen, mit denen die Verstorbene kommuniziert habe, vom Zweck des Nutzervertrages gedeckt. Rechte solcher Dritter seien auch Ansonsten nicht betroffen, schließlich hätten sie nicht damit rechnen dürfen, dass die von ihnen an die Verstorbene gesandten Nachrichten keinen Dritten zu Augen gelangten. Der BGH stellte klar, dass digitaler Nachlass grundsätzlich ebenso zu behandeln sei, wie analoge Briefsammlungen oder Tagebücher, die auf die Erben übergehen und deren Inhalt dadurch den Erben zugänglich wird.
Wegweisende Entscheidung zu digitalem Nachlass
Die aktuelle Entscheidung des BGH zur Frage, wie digitaler Nachlass geregelt sein soll, ist von großer Bedeutung auch für andere soziale Netzwerke oder anderer Internet-Dienstleister (z. B. Mail-Dienstleister, Cloud-Anbieter etc.) und bedeutet eine erhebliche Stärkung der Rechte der Erben, denen es künftig viel leichter fallen dürfte, Zugang zu digitalen Benutzerkonten ihrer verstorbenen Angehörigen zu erhalten.
Haben Sie Probleme, sich Zugang zu Daten verstorbener Angehöriger zu verschaffen oder sonstige Fragen zum digitalen Nachlass? Nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf, entweder per E-Mail unter kontakt@das-gruene-recht.de oder telefonisch (Tel.: 0211-54 20 04 64). Rechtsanwalt Otto Freiherr Grote aus Düsseldorf berät seit mehreren Jahren persönlich zahlreiche Mandanten bundesweit in Fragen des Medienrechts.
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