Streit um Orsons-Song: Keine Schöpfungshöhe für Fahrgeschäft-Anwerbespruch

Durfte die Band „Die Orsons“ die markigen Fahrgeschäft-Anpreisungen einer Schaustellerin in ihrem erfolgreichen Song „Schwung in die Kiste“ verwenden? Eine Schaustellerin vom Oktoberfest beklagte die Verletzung ihrer Urheber- und Persönlichkeitsrechte. Nun entschied das LG München.

Schöpfungshöhe
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Schaustellerin macht Rechte an Fahrgeschäft-Locksprüchen geltend

Bei Fahrgeschäften wie Autoscootern oder Karussells bemühen sich häufig Anwerber (so genannte Rekommandatoren) lautstark um Aufmerksamkeit des Publikums und versuchen, Kunden mit markigen Sprüchen anzulocken. Die deutsche Hip-Hop-Band „die Orsons“ benutzte die reklamehaftigen Anpreisungen einer solchen Rekommandatorin in einem ihrer Songs namens „Schwung in die Kiste“. Der dort verwendete Text einer Kirmes-Rekommandatorin lautete wie folgt:

„Ja und jetzt, jetzt bring ma wieder Schwung in die Kiste!
Hey, ab geht die Post! Let’s go! Let’s fetz! Volle Pulle!
Volle Power! Wow! Super!“
Dieser Text fand im bekannten Orsons-Song Verwendung, der sich beim Publikum großer Beliebtheit erfreute und  zwischenzeitlich sogar auf Platz 23 der deutschen Singlecharts platziert war.

Schaustellerin klagt auf Unterlassung und Schadensersatz

Eine Schaustellerin versuchte vor dem LG München, die Verwertung des Songs gerichtlich verbieten zu lassen. Die Klägerin komme (nach ihren eigenen Angaben) aus einer der bekanntesten Schaustellerfamilien Deutschlands und habe die Kunst des Rekommandierens von Ihren Eltern und Großeltern erlernt. Sie  gehe davon aus, dass der verwendete Text vor 8-10 Jahren auf dem Münchener Oktoberfest von ihr vorgetragen und dann unerlaubt aufgenommen worden sei. Der fragliche Text verfüge auch um eine ausreichende Schöpfungshöhe, um als urheberrechtliches Werk geschützt zu sein. Zudem verletzte die Verwendung ihres Textes in einem obszönen Musikvideo ihre Persönlichkeitsrechte.

LG München: Text besitzt nicht die erforderliche Schöpfungshöhe

Das LG München (Endurteil vom 12.12.2017, Az. 33 O 15792/16) wies die Klage ab. Insbesondere erreiche der fragliche Text nicht die für den Schutz als urheberrechtliches Werk erforderliche Schöpfungshöhe gerade nicht. So erschöpfe sich, so das LG München, das streitgegenständliche Textfragment
„in einer losen und willkürlich erscheinenden Aneinanderreihung situativ hervorgebrachter, gebräuchlicher anpreisender Begriffe banalster Art und Weise, denen insbesondere im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang der Äußerung (nämlich beim reklamehaften Anpreisen eines Fahrgeschäfts) jedwede Doppeldeutigkeit und Individualität fehlt. Ersichtlich ist diese Wortfolge in ihrer Belanglosigkeit eher vergleichbar mit den schutzlos gebliebenen Zeilen „Samba (Lachen) – hai que – Samba de Janairo“ (vgl. OLG Hamburg ZUM 1998, 1041) oder „Wir fahr’n, fahr’n, fahr’n auf der Autobahn“ (vgl. OLG Düsseldorf GRUR 1978, 640) denn mit geschützten Äußerungen wie „Vom Ernst des Lebens halb verschont ist der schon, der in München wohnt“ (vgl. OLG München ZUM 2009, 970) oder „Mögen hätte ich schon wollen, aber dürfen habe ich mich nicht getraut“ (vgl. LG München I GRUR-RR 2011, 447 – Karl-Valentin-Zitat). Die in Rede stehende Textpassage weist nach Auffassung der Kammer nicht die erforderliche Gestaltungshöhe auf, die sie als persönliche geistige Schöpfung kennzeichnen würde, selbst wenn man das Maß für die sogenannte „kleine Münze“ des Urheberrechts sehr niedrig ansetzt. Dieser Begriff hat nicht die Aufgabe, jede Abgrenzung überflüssig zu machen (sc auch OLG Hamburg ZUM 1998. 1041).“

Auch Persönlichkeitsrechtsverletzung verneint

Nicht nur verneinte das Landgericht das Fehlen einer ausreichenden Schöpfungshöhe. Auch liege in der Verwendung des (mutmaßlich) von der Klägerin stammenden Textfragments keine  Persönlichkeitsrechtsverletzung. Denn selbst wenn die Aufnahme tatsächlich von der Klägerin stamme, so sei sie öffentlich vorgetragen worden. Die Klägerin sei daher allenfalls in ihrer Sozialsphäre und damit in einem Bereich berührt, in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein im Kontakt mit der Umwelt vollzieht. Ein solcher Eingriff sei aber in diesem Fall nicht rechtswidrig, da eine Abwägung zwischen ihrem Persönlichkeitsrecht und dem Recht der Beklagten auf Kunstfreiheit vorliegend zu einem Überwiegen der Interessen der Beklagten führen.

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