Durften Fotos von AIDA Kreuzfahrtschiffen mit dem charakteristischen „Kussmund“ auch ohne Zustimmung des Rechteinhabers kommerziell verbreitet werden? Der BGH hatte über diese Frage zu entscheiden und hat in seinem Urteil die Panoramafreiheit entscheidend gestärkt.
Foto eines Schiffs mit „Kussmund-Motiv“ im Internet veröffentlicht
Die Klägerin veranstaltet Kreuzfahrten mit den AIDA Kreuzfahrtschiffen. Die Schiffe sind mit einem charakteristischen und bekannten Kussmund-Motiv dekoriert. Dieses von einem Künstler geschaffene Motiv besteht aus einem am Schiffsbug angebrachten Kussmund sowie seitlich am Schiff angebrachten Augen, von denen Wellenlinien zur Seite ausgehen. Der Künstler hatte die ausschließlichen Rechte an dem Motiv der Klägerin eingeräumt.
Der Beklagte bot auf seiner Internetseite Ausflüge bei Landgängen für Kreuzfahrtreisende in Ägypten an. Die Klägerin störte sich daran, dass der Beklagte auf seiner Website zu Werbezwecken auch ein Foto eines AIDA Schiffes mit dem charakteristischen Motiv veröffentlicht hatte. Sie sah in der Veröffentlichung des Motivs eine Verletzung ihres ausschließlichen Nutzungsrechts an dem Werk der angewandten Kunst. Vor allem sei, so die Klägerin, die Veröffentlichung nicht von der so genannten Panoramafreiheit gedeckt.
Panoramafreiheit: urheberrechtliche Ausnahme für öffentlich einsehbare Werke
Bei der Panoramafreiheit handelt es sich um eine Schrankenregelung im deutschen Urheberrecht, geregelt in § 59 UrhG. Danach ist es zulässig,
Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Grafik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben.
Sinn dieser Vorschrift ist es u. a., das Fotografieren im öffentlichen Raum nicht durch die Gefahr möglicher Urheberrechtsverletzungen allzu sehr einzuschränken.
BGH: Panoramafreiheit erstreckt sich auch auf sich im öffentlichen Raum bewegende Motive
Die klagende Kreuzfahrtgesellschaft war vor allem der Meinung, das fragliche Kunstwerk befinde sich bereits nicht „bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen“. Vor dem LG Köln und dem OLG Köln war die Klägerin mit ihrem Anliegen bereits erfolglos geblieben. Nun scheiterte sie auch vor dem BGH. Dieser urteilte (Urteil vom 27.04.2017, Az. I ZR 247/15), dass sich ein Werk bereits dann an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen, wenn es von Orten aus, die unter freiem Himmel liegen und für jedermann frei zugänglich sind, wahrgenommen werden könne. Diese Voraussetzung sei auch dann erfüllt, wenn ein Werk nicht ortsfest sei und sich nacheinander an verschiedenen öffentlichen Orten befinde. Ein Werk befinde sich bleibend an solchen Orten, wenn es aus Sicht der Allgemeinheit dazu bestimmt ist, für längere Dauer dort zu sein.
Auch Kreuzfahrtschiffe von der Panoramafreiheit erfasst
Genauso erfasse die Panoramafreiheit auch Motive an Fahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr (z. B. Busse, Straßenbahnen). Es würde ein zu große Einschränkung des Fotografierens und Filmens im öffentliche Raum bedeuten, wenn die Veröffentlichung solcher Aufnahmen urheberrechtliche Ansprüche auslösen könne. Rechteinhaber müssten daher dulden, dass ihre Werke an solchen öffentlichen Orten abgelichtet werden. Nichts anderes gelte auch hinsichtlich des fraglichen Kreuzfahrtschiffes, welches sich im öffentlichen Raum bewege und dazu bestimmt sei, sich längere Zeit auf hoher See und in Küstengewässern aufzuhalten. Daher durfte auch der Beklagte das Schiff fotografieren und das Foto im Internet einstellen.
Rechtsanwalt Otto Freiherr Grote aus Düsseldorf berät seit mehreren Jahren persönlich zahlreiche Mandanten bundesweit in Fragen des Urheberrechts. Kontaktieren Sie uns gerne, entweder per E-Mail unter kontakt@das-gruene-recht.de oder auch telefonisch (Tel.: 0211-54 20 04 64).