Beleidigende Kommentare? LG Heilbronn weist Klage von Sawsan Chebli ab

Die Politikerin Sawsan Chebli wehrt sich gegen beleidigende Kommentare im Internet. In einem Facebook-Kommentar war sie als „dämliches Stück Hirn-Vakuum“ bezeichnet worden. Vor dem LG Heilbronn forderte sie Entschädigung. Das Landgericht hat die Klage der Politikerin nun abgewiesen.

Politikerin setzte sich gegen beleidigende Kommentare zur Wehr

Politiker sind häufig das Ziel von Anfeindungen im Internet, gerade auch im Rahmen von feindseligen Kommentaren auf Social-Media-Plattformen wie Facebook. Auch die Berliner Politikerin Sawsan Chebli beklagt viele beleidigende Äußerungen über ihre Person. Sie hat über das Thema auch ein Buch geschrieben und setzt sich gegen solche Anfeindungen mitunter auch gerichtlich zur Wehr.

Im vorliegenden Fall ging es um einen Facebook-Kommentar über die Politikerin. Er lautete:

„Selten so ein dämliches Stück Hirn-Vakuum in der Politik gesehen wie Sawsan Chebli.
Soll einfach abtauchen und die Sozialschulden Ihrer Familie begleichen.“

Mit diesem Kommentar wurde ein kritischer Beitrag des CDU-Politikers Jan Redmann über einen Beitrag von Sawsan Chebli kommentiert, in dem sich Chebli kritisch über den Kabarettisten Dieter Nuhr geäußert hatte. Der ursprüngliche kritische Beitrag Cheblis hatte wie folgt gelautet:

„Immer wieder Dieter#Nuhr: so ignorant, dumm und uninformiert. Er nur Witze auf Kosten von Minderheiten machen. Wie lange will @ARDde das mitmachen? Unabhängig davon: Kauf das Buch von @alicehasters und bildet euch antirassistisch. Ich verschenke ein paar davon zu Weihnachten.“

Chebli nahm den Verfasser des gegen sie gerichteten Kommentars gerichtlich in Anspruch. Dabei forderte sie neben Unterlassung auch eine Geldetschädigung in Höhe von 5.000,00 €. Außerdem machte sie den Ersatz von Abmahnkosten in Höhe von 973,66 € geltend.

In dem Verfahren bestritt der Beklagte, den Beitrag selbt verfasst zu haben. Sein Facebook-Account sei sowohl zu Hause als auch auf der Arbeit geöffnet. Also hätten auch Dritte den Beitrag verfassen können.

LG Heilbronn: beleidigende Kommentare waren (noch) von der Meinungsfreiheit umfasst

Das LG Heilbronn (Urteil vom vom 22.03.2023 Az. Ko 8 O 85/22) wie die Klage nun kostenpflichtig ab.

Zwar spreche eine bislang unwiderlegte Vermutung dafür, dass der Beklagte der Urheber des fraglichen Kommentars sei. So handele es sich um seinen persönlichen Facebook-Account. Der vage Verweis auf mögliche Verwendung des Accounts durch Dritte reiche nicht aus, um diese Vermutung zu entkräften.

Jedoch seien die beanstandeten Aussagen in dem fraglichen Kommentar nicht rechtswidrig, da sie in der Gesamtwürdigung von der Meinungsfreiheit gem. Art. 5 GG umfasst seien.

„Mischäußerung“ mit vorwiegend wertenden Elementen

Soweit es um angebliche „Sozialschulden“ der Familie gehe, die Chebli „abarbeiten“ solle, so könne diese Äußerung weder eindeutig als Tatsachenbehauptung noch als Meinungsäußerung eingeordent werden. Vielmehr handele es sich um eine „Mischäußerung“, welche neben Tatsachenelementen auch wertende Elemente enthalte. Wenn hierbei der Schwerpunkt der Äußerung in den wertenden Elementen liege, so sei die Äußerung als Meinungsäußerung zu qualifizieren. So führte das Landgericht aus:

Dies ist hier der Fall. Die Behauptung erfolgte vor dem Hintergrund, dass die Familie der Klägerin nach Deutschland eingewandert ist. Sie wurde indes nicht deshalb geäußert, weil der Beklagte davon ausging, die Familie hätte tatsächlich „Sozialschulden“, sondern sie beinhaltet ein Element der Wertung hinsichtlich der Praxis sozialer Unterstützung von Einwandererfamilien in Deutschland an sich.

Vorherige Äußerung von Chebli muss in die Wertung einbezogen werden

Soweit sich die Klage gegen die Bezeichnung der Politikerin als „ein dämliches Stück Hirn-Vakuum“ richtet, so überwiege auch hier die Meinungsfreiheit, so das Landgericht. Als eine bekannte und in der öffentlichkeit stehende Persönlichkeit hätte sie auch polemische und überspitzte Kritik hinzunehmen. Insbesondere sei aber bei der Einordnung des Kommentars die zuvor geführte Kommunikation und die dabei geführte Wortwahl zu berücksichtigen. Vorliegend habe sich die Klägerin selbst mit einer Wortmeldung an der Debatte über den Kabarettisten Dieter Nuhr beteiligt. Hierbei habe sie mit den Worten „ignorant“ und „dumm“ ein vergleichbares Vokabular benutzt wie in dem gegen sie gerichteten Kommentar. Daher habe sie mit entsprechenden Gegenäußerungen zu rechnen und müsse solche auch aushalten, so urteilte das Landgericht.

Den Volltext zu diesem Urteil finden Sie hier.

– UPDATE: Das OLG Stuttgart (Urteil vom 29.11.2023, Az. 4 U 58/23) hat in der Berufungsinstanz dem Unterlassungsantrag der klagenden Politikerin stattgegeben. Anders als noch das Landgericht sah das OLG in der Bezeichnung „dämliches Stück Hirn-Vakuum“ eine Schmähkritik, welche auch nicht im Lichte der vorangegangenen erhitzten Auseinandersetzung gerechtfertigt sei. Auch die Aussage „Soll einfach abtauchen und die Sozialschulden ihrer Familie begleichen“ sei nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt. Vielmehr liege hierin eine Herabsetzung von Immigranten, die vorliegend ohne Bezug zu der vorher geführten Diskussion sei und daher nur dazu diene, die Klägerin verächtlich zu machen. Den von der Klägerin ebenfalls begehrten Geldentschädigungsanspruch verneinte das OLG. –

In welchen Fällen kann man sich gegen beleidigende Kommentare zur Wehr setzen? Welche Äußerung sind zulässig? Wo verläuft die Grenze zwischen zulässigen Äußerungen und Beleidigungen? Rechtsanwalt Otto Freiherr Grote aus Düsseldorf berät seit mehreren Jahren persönlich zahlreiche Mandanten bundesweit in Fragen des Äußerungsrechts. Nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf, entweder per E-Mail unter kontakt@das-gruene-recht.de oder telefonisch (Tel.: 0211-54 20 04 64).