Was geschieht mit meinem heiß geliebten Facebook-Account nach meinem Ableben? Wird dieser automatisch nach einer gewissen Zeit gelöscht? Schwebt der Account für ewig in der Unendlichkeit des World Wide Web? Haben die Erben einen Anspruch auf Erhalt der Zugangsdaten? Kann der Zugang durch die Erben im Interesse des Verstorbenen sein? Diese Fragestellungen sind nicht nur berechtigt, sondern betreffen angesichts der weitverbreiteten Nutzung der Social-Media-Plattform Facebook – jedenfalls an einem hoffentlich fernen Tag – eine ganz erhebliche Anzahl von Nutzern.
Landgericht Berlin entscheidet gegen Facebook
So war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis sich ein Gericht mit dieser Thematik befassen musste. Nun ist durch das Landgericht Berlin ein erstes Urteil hierzu gesprochen worden. Das Gericht befand, dass die Rechte aus einem Vertrag mit Facebook zur Nutzung von Facebook-Diensten in vollem Umfang nach § 1922 BGB vererblich seien. Dies habe zur Konsequenz, dass Facebook die Zugangsdaten – jedenfalls im Falle einer Minderjährigkeit des Verstorbenen – an die Erben herauszugeben habe. Das Gericht ließ offen, ob bei einer Volljährigkeit dem Erbrecht ggf. ein „postmortales Persönlichkeitsrecht“ des Verstorbenen entgegengestanden hätte (vgl.: Landgericht Berlin, Urteil vom 17.12.2015, AZ.: 20 O 172/15).
Tragischer Ausgangsfall
Dieser so nüchtern-juristischen Feststellung des Gerichts lag ein tragischer Fall zugrunde: Klägerin und Erbin war die Mutter eines minderjährigen Kindes. Dieses war unter bisher ungeklärten Umständen tödlich verunglückt. Die Klägerin erhoffte sich, über den Facebook-Account ihrer Tochter etwaige Hinweise über mögliche Absichten oder Motive in Hinblick auf einen möglichen Suizid zu erhalten. Ein tatsächlicher Zugang zu dem Account war der Klägerin gleichwohl nicht möglich, da das Benutzerkonto durch Facebook in den sog. „Gedenkzustand“ versetzt wurde. Dieser Gedenkzustand bewirkt, dass ein Zugang zu dem Benutzerkonto nicht mehr möglich ist. Bei Eingabe der korrekten Zugangsdaten erscheint dann ein Hinweis auf den Gedenkzustand. Facebook-Freunde des Verstorbenen können auf den Gedenkzustand allerdings noch zugreifen und dort auch noch Beiträge einfügen.
Facebook hatte der Klägerin den Zugang unter Hinweis auf seine Nutzungsbedingungen, wie diese bis 2015 bestanden, verweigert. Facebook sagte lediglich die Speicherung sämtlicher Daten zu, bis ein unmittelbares Familienmitglied die Löschung beantrage.
Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass die Gedenkzustandsrichtlinie unwirksam sei und verwies auf ihre Rechte als Erbin. Facebook dagegen verwies auf das Schutzbedürfnis des Verstorbenen, verwies zudem auf die Besonderheiten irischen Datenschutzrechts (Anmerkung: Facebook hat seinen Sitz in Irland) und wies ein Erbrecht bezogen auf ein Zugangsrecht zu Facebook zurück.
Ausführliche Urteilsbegründung
Das Gericht gab der Klage statt. Deutsches Recht sei anwendbar, da der Vertrag zwischen Facebook und der Verstorbenen, einer Verbraucherin, über eine Website geschlossen wurde, die in Deutschland zugänglich sei (Art. 15 EuGVVO).
Des Weiteren sei das streitgegenständliche Vertragsverhältnis als “Vermögen“ im Sinne des erbrechtlich einschlägigen § 1922 BGB zu bewerten. Das Urteil befasst sich inhaltlich dann sehr ausführlich mit verschiedenen rechtlichen Detailfragen und Meinungsstreitigkeiten. So wird die Meinung behandelt, wonach nur die vermögensrechtlichen Teile digitalen Nachlasses, nicht hingegen die nicht-vermögensrechtlichen Teile vererblich sein sollen. Diese Auffassung sei zurückzuweisen, da „eine eindeutige Bestimmung des vermögensrechtlichen Charakters eines Teiles des digitalen Nachlasses nicht möglich sei“.
Im Übrigen sei auch der Grundgedanke der Passwort-Sicherheit nicht gefährdet, denn dieser beziehe sich auf die Sicherheit gegenüber dem sozialen Netz. Die Kontosicherheit werde bei einer Übertragung an den Erben indes nach Auffassung des Gerichts nicht gefährdet.
Postmortales Persönlichkeitsrecht?
Auch das postmortale Persönlichkeitsrecht sieht das Gericht nicht gefährdet, denn die Eltern seien ja gerade „Sachwalter dieses Persönlichkeitsrechts“ des Kindes. Diese Argumentation gibt Raum für die Frage, ob ggf. die Entscheidung anders gelautet hätte, wenn der Verstorbene volljährig gewesen wäre.
Letztlich stünde dem Erbrecht auch nicht die Gedenkzustandsrichtlinie von Facebook entgegen. Diese würde eine „unangemessene Benachteiligung des Erben“ darstellen und sei daher für diese nicht anwendbar. Die Rechte der Erben würden ohne erkennbaren Grund ihres Erbanspruches beraubt. Auch Verstöße gegen das Fernmeldegeheimnis und Datenschutzrechte wies das Gericht zurück. So sei das Bundesdatenschutzgesetz bereits dem Wortlaut der Gesetzesinhalte nach nicht auf den „Schutz von Toten“ ausgerichtet. Das Datenschutzrecht müsse im Übrigen hinter den erbrechtlichen Interessen zurückstehen. Die Situation sei – laut Gericht – vergleichbar mit vertraulichen Briefen, die ein Dritter dem Erblasser sendet und welche der Erbe ohne weiteres erbt und zur Kenntnis nehmen darf.
Abgesehen davon gebe es nach Auffassung des Gerichts sogar einen Auskunftsanspruch des Erben nach § 34 BDGS.
Was sagt die Berufungsinstanz
Man darf gespannt sein, ob dieses komplexe Urteil von immerhin 17 Seiten von einem ggf. angerufenen Berufungsgericht bestätigt wird. Bis dahin gilt jedenfalls, dass man die Inhalte seines eigenen Facebook-Accounts möglichst „sauber“ halten sollte, um die lauernde Erbengemeinschaft nicht ungewollt posthum „aufzuwühlen“.
Landgericht Berlin, Entscheidung vom 17.12.2015, Az. 20 O 172/15