Im Januar 2021 hatte eine einstweilige Verfügung des LG München gegen Amazon für Aufmerksamkeit gesorgt. Danach war Amazon (vorläufig) dazu verpflichtet worden, ein gesperrtes Händlerkonto wieder freizuschalten. Nun hob das LG München die einstweilige Verfügung wieder auf. Was war passiert?
Die Antragstellerin vertreibt in Deutschland u. a. Nahrungsergänzungs- und Schönheitsmittel. Sie ist Inhaberin eines Verkäuferkontos auf der Plattform Amazon. Der Jahresumsatz der Antragstellerin über Amazon belief sich im Jahr 2020 nach eigenen Angaben auf über 800.000,00 €.
Händlerkonto vorübergehend von Amazon gesperrt
Im Dezember 2020 wurde die Antragstellerin von Amazon benachrichtigt, dass ihr Verkäuferkonto „vorübergehend deaktiviert“ worden sei. Ihre Angebote seien von der Website entfernt worden. Vorhandenes Guthaben bleibe zunächst eingefroren. Als Grund für die Sperrung des Verkäuferkontos wurde der Vorwurf manipulierter Kundenbewertungen erhoben. Die Antragsstellerin beantragte vor dem LG München den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Das Ziel war, eine Freischaltung des Kontos und die Freigabe des eingefrorenen Guthabens zu erreichen.
Landgericht erließ zunächst einstweilige Verfügung im Beschlusswege
Das LG München erließ zunächst eine einstweilige Verfügung. Danach sollte es Amazon vorläufig untersagt sein,
- das Verkäuferkonto der Antragstellerin zu deaktivieren,
- entsprechende Angebote von der Plattform zu entfernen sowie
- Guthaben auf dem Verkäuferkonto einzubehalten,
ohne die als missbräuchlich oder falsch eingestuften Kundenbewertungen konkret zu benennen und ohne der Antragstellerin die Gelegenheit zu geben, zu den konkreten Sachverhalten Stellung zu nehmen.
Marktbeherrschende Stellung von Amazon
So ergebe sich der Verfügungsanspruch aus § 33 Abs. 1 GWB in Verbindung mit § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB. Aus Sicht des Landgerichts sei hinreichend glaubhaft gemacht worden, dass Amazon in Deutschland eine marktbeherrschende Stellung bei der Erbringung von Dienstleistungen von Onlinemarktplätzen gegenüber Onlinehändlern habe. Bei dieser Einschätzung berief sich das Gericht auf Ermittlungen des Bundeskartellamts sowie der EU-Kommission. Aufgrund der Marktmacht sei Amazon bei Aufnahme und Beendigung von Geschäftsbeziehungen auf diskriminierungsfreies, von sachlichen Erwägungen getragenes Verhalten beschränkt. Da Amazon vorliegend kein angemessenes Verfahren zur Anhörung gewährt habe, entspreche die Deaktivierung des Verkäuferkontos einer anlass- und begründungslosen Sperrung.
Aufhebung der einstweiligen Verfügung mangels Marktmissbrauch
Nachdem Amazon Widerspruch gegen diese Beschlussverfügung eingelegt hat und im März 2021 über die Sache mündlich verhandelt wurde, hob das LG München seine einstweilige Verfügung nun auf (Urteil vom 12.05.2021, Az. 37 O 32/21). Zwar blieb das Landgericht bei seiner Einschätzung hinsichtlich der marktbeherrschenden Stellung von Amazon. Jedoch liege in dem vorliegenden Fall trotz der als unzureichend beanstandeten Begründung der Sperrung kein Marktmissbrauch.
Ausnahme von der Begründungspflicht aufgrund wiederholter Verstöße
Zwar erfülle die damals erfolgte pauschale Begründung der Sperrung durch Amazon nicht den in Art. 4 VO (EU) 2019/1150 geregelten Anforderungen an eine Einschränkung, Aussetzung oder Beendigung der Geschäftsbeziehung. Von der Mitteilung konkreter Beanstandungsgründe sei Amazon im vorliegenden Fall jedoch gemäß Art. 4 Abs. 5 UAbs. 1 VO (EU) 2019/1150 ausnahmsweise entbunden. Denn das fragliche Händlerkonto sei bereits in der Vergangenheit aufgrund einer zugestandenen Pflichtverletzung gesperrt worden. In der Begründung für die hier in Rede stehende Sperrung werde auch auf eine gleichartige Rechtsverletzung Bezug genommen. So sei es bereits im Jahr 2019 zu einer Sperrung des fraglichen Händlerkontos wegen eines Verstoßes gegen das Verbot gekaufter oder manipulierter Bewertungen gekommen. Aufgrund dieses Vorgeschehens sei die eigentlich unzureichende Begründung der Sperrung vorliegend ausnahmsweise gerechtfertigt.
Obwohl dieser konkrete Fall zu Gunsten von Amazon entschieden wurde, so kann man dem Urteil des LG München jedoch vielversprechende Ansatzpunkte entnehmen, wenn es darum geht, gegen als ungerecht empfundene Sperrungen von Amazon-Händerkonten vorzugehen. So lässt das Landgericht keinen Zweifel an der marktbeherrschenden Stellung von Amazon, was zu einer besonderen Verantwortung bei der Einschränkung von Kundenbeziehungen führt. Ebenso kann man den Ausführungen des Landgerichts entnehmen, dass es die von Amazon geführte Kommunikation bei der Sperrung von Händerkonten als unzureichend erachtet.
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